Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer spricht im Abendblatt über Chancen für Großprojekte in Deutschland, Energiewende und den Artenschutz.
Hamburg. Die Hansestadt findet der CSU-Politiker Peter Ramsauer beim Straßenbau pfiffig , und er attestiert ihr großes Potenzial bei der Elektromobilität. Deutschland könnte weiter sein, gäbe es nicht so viele Spezialisten für Verhinderung.
Hamburger Abendblatt: Herr Minister Ramsauer, welche guten Nachrichten haben Sie für den Hamburger Hafen mitgebracht?
Peter Ramsauer: Ich hatte eigentlich erwartet, dass wir mit der Elbvertiefung im September anfangen können. Das wäre ein tolles Signal für den Hafen und den Wirtschaftsstandort Hamburg gewesen. Deshalb war ich sehr enttäuscht, dass sich Naturschutzbund, BUND und WWF mit einer Klage dagegengeworfen haben. Ich bezeichne diese Verbände mittlerweile als deutsche Verhinderungsspezialisten. In Hamburg war ich allerdings auch in Sachen Elektromobilität unterwegs. Da hat die Hansestadt großes Potenzial.
Aber mit den Elektroautos scheint es doch wie mit der Fotovoltaik: eine charmante Idee, aber in der Umsetzung fehlt bisher trotz aller Subventionen der entscheidende Durchbruch.
Ramsauer: Der Vergleich hinkt. Für die Elektromobilität ist keine Einspeisevergütung notwendig, um sie voranzutreiben. Wenn man eine Analogie herstellt, wäre es eine Kaufprämie für Elektroautos. Würde man Kunden zum Beispiel 5000 Euro Anschaffungsprämie zahlen, wären das allerdings fünf Milliarden Euro an Kosten. Wenn ich Finanzminister Wolfgang Schäuble einen solchen Vorschlag machen würde, würde er sagen: Spar das aus deinem Etat zusammen. Ich modernisiere mit dem Geld lieber die Infrastruktur, damit die E-Autos nicht über Schlaglöcher rumpeln müssen.
Die Technik der Elektroautos ist noch nicht ausgereift, die Batterien sind noch nicht besonders leistungsfähig, dafür sehr schwer. Wie soll sich das in acht Jahren geändert haben?
Ramsauer: Das haben wir schon beim Übergang von der Dampfmaschine auf den Verbrennungsmotor gesehen: Alle revolutionären Technologiesprünge haben zunächst Probleme. In der Batterietechnik sind wir schon weiter als gedacht im Hinblick auf Kapazitäten, Kosten, Ladefähigkeit und Kapazitätsabfall bei niedrigen Temperaturen. Es geht nicht auf Knopfdruck, man muss Ausdauer haben.
Wann gibt es einen Massenmarkt für Elektroautos?
Ramsauer: Wir haben derzeit 4500 Elektrofahrzeuge auf den Straßen. 2014 beginnt die Markthochlaufphase. Dann wird man schon zwischen 15 Autotypen wählen können. Das mündet 2017 in einen Massenmarkt, der uns 2020 auf eine Million Elektrofahrzeuge bringt.
Würden Sie wetten, dass wir 2020 eine Million Fahrzeuge auf deutschen Straßen haben und die deutsche Automobilindustrie in der Technik führend ist?
Ramsauer: Die Wette nehme ich an. 2020 haben wir eine Million Elektrofahrzeuge , inklusive Nutzfahrzeuge, ganz gleich welcher Technologie. Etwa 50 Prozent werden aus deutscher Herstellung sein.
Eine der wichtigsten Säulen der Energiewende ist das Energiesparen. Wie kann sie für Vermieter und Mieter bezahlbar gestaltet werden?
Ramsauer: Wer geglaubt hat, dass die Energiewende zum Nulltarif zu haben ist, hat sich getäuscht. Die Energiewende kostet Geld, bringt einen höheren Strompreis, macht uns importabhängiger von manchen Primärenergiearten und führt vorübergehend zu einem höheren CO2-Ausstoß. Auch beim Bauen gibt es Herausforderungen. Mit der Mietrechtsnovelle haben wir ein investitionsfreundlicheres Klima für die Gebäudesanierung geschaffen. Der Mieter weiß, dass er einen Teil der Sanierungskosten über die gestiegene Kaltmiete trägt. Aber er spart sich einen äquivalenten Teil bei der Warmmiete, weil er durch die bessere Dämmung weniger Heizkosten hat.
Führt die im Zuge der Fehmarnbelt-Querung geplante neue Schnelltrasse direkt durch die Ostseebäder Timmendorfer Strand und Scharbeutz?
Ramsauer: Ich habe mich vor fast genau einem Jahr einen ganzen Tag diesem Projekt gewidmet - eine der einprägsamsten Exkursionen in meinem gesamten Politikerleben. Tagelang konnte ich Aufrufe zur Anti-Ramsauer-Demonstration lesen. Die Aufregung vor Ort war groß. Auf einer Zugfahrt von Lübeck bis Fehmarn habe ich mit allen Bürgermeistern geredet. Dabei konnte ich feststellen, dass alle völlig unterschiedliche Interessen haben. Der eine will den Bahnverkehr dringend hinter die Autobahn verlegen, andere wollen ihn doch näher haben. Wir haben ein Dialogforum institutionalisiert. Und es gibt einen Staatsvertrag mit den Dänen. Es wird gebaut. Das Ob können wir nicht mehr diskutieren. Jetzt geht es um das Wie - und da binden wir die Bürger kräftig mit ein.
Schwierigkeiten gibt es in Schleswig-Holstein auch mit dem Weiterbau der Autobahn 20. Ist das ganze Projekt einer nördlichen Hamburg-Umgehung und einer westlichen Elbquerung mit der neuen Regierung in Kiel gescheitert?
Ramsauer: Bis man von der A 7 Richtung A 23 fahren kann, kann es schon wieder eine neue Regierung geben. Wichtig ist, dass man überall mit voller Kraft weiterplant, dass man Baurecht schafft. Im Ministerium schauen wir am Ende eines Jahres immer, welches Land welches Geld noch nicht verbaut hat. Im vergangenen Jahr waren 450 Millionen Euro nicht ausgegeben. Wer dann schnell die Schublade aufzieht und am Freitagnachmittag sagt, dass er Montag eine sinnvolle Baustelle aufmachen kann, der bekommt Geld.
Und da sind Hamburg und Niedersachsen nicht die Schnellsten?
Ramsauer: Hamburg ist schon ganz pfiffig beim Straßenbau. Niedersachsen auch. Bei einer neuen Elbquerung westlich von Hamburg für die A 20 planen wir eine öffentlich-private Trägerschaft. Aber wie würde das wohl aussehen, wenn man eine Strecke von Niedersachsen bis zur neuen Elbquerung hat und in Schleswig-Holstein nicht auf einer Autobahn weiterfahren könnte?
In München ist die neue Startbahn des Flughafens an einem Bürgerentscheid gescheitert. Trotz der Volksabstimmung für Stuttgart 21 ist die Lage dort nicht befriedet. Kann man in Deutschland noch Großprojekte realisieren?
Ramsauer: Klares Ja. Wir sind nicht nur das Land der Ideen, sondern auch das Land des Tuns, des Bauens. Das muss Teil unserer Identität sein. Aus Stuttgart 21 haben wir gelernt, dass man in alle Projekte - ob groß, ob klein - die Bevölkerung einbinden muss. Und zwar zu einem Zeitpunkt, an dem es noch um das Ob geht.
Mitunter hängen Projekte auch am Umwelt- oder Naturschutz. Wie wollen Sie verhindern, dass nicht ein Wachtelkönig Bauprojekte behindert?
Ramsauer: ... und die Mopsfledermaus, der Juchtenkäfer oder der Schierlings-Wasserfenchel bei der Elbvertiefung. Bei fünf Milliarden Euro an Straßenverkehrsinvestitionen im Jahr geben wir rund 15 Prozent für Umweltschutz, Naturschutz und Artenschutz aus. Beim Ausbau der Bahnstrecke von Hannover nach Berlin haben wir Millionen aufgewendet, um 95 Brutpaare von Großtrappen zu retten. Dann kam ein Ansturm von Füchsen und hat die weitgehend ausgerottet. Wir konnten zum Glück einige Paare neu ansiedeln.
Das bringt uns zum Artenschutz in der Regierungskoalition in Berlin. Lohnt es sich für Ihre Partei, die gesamte Bundesregierung wegen des umstrittenen Betreuungsgeldes infrage zu stellen?
Ramsauer: Was ausgemacht ist, ist ausgemacht. Im Sozialgesetzbuch VIII steht im Paragraf 16: "Ab 2013 soll für diejenigen Eltern, die ihre Kinder von ein bis drei Jahren nicht in Einrichtungen betreuen lassen wollen oder können, eine monatliche Zahlung (zum Beispiel Betreuungsgeld) eingeführt werden." Das wurde in der Zeit der Großen Koalition im Jahr 2007 da hineingeschrieben und ist mit der SPD gemeinsam beschlossen worden. Unser Verhandlungspartner war der damalige parlamentarische Geschäftsführer Olaf Scholz, heute Erster Bürgermeister von Hamburg.