Im Osten gibt es 2,26 Prozent, im Westen 2,18 Prozent mehr. Ob das die Inflationsrate ausgleichen kann, ist bislang aber noch offen.
Berlin. Erstmals nach drei Jahren können die gut 20 Millionen Rentner in Deutschland wieder mit einem deutlichen Zuschlag rechnen. Er fällt in Ost und West aber unterschiedlich stark aus: Im Osten sind es 2,26 Prozent, im Westen 2,18 Prozent. Das beschloss das Bundeskabinett gestern.
Im vergangenen Jahr hatte es einheitlich 0,99 Prozent mehr gegeben, 2010 mussten sich die Rentner mit einer Nullrunde zufriedengeben. Der Rentenerhöhung zum 1. Juli muss noch der Bundesrat zustimmen. Dies gilt aber als reine Formsache.
Grund für den Aufschlag sind vor allem die im Boomjahr 2011 gestiegenen Löhne und die gesunkene Arbeitslosigkeit. Dadurch ist die Rentenkasse so voll wie schon lange nicht mehr. In der "eisernen Reserve" der Rentenkasse lagen Ende Februar noch gut 23 Milliarden Euro - gut fünf Milliarden mehr als im Januar 2011. Und das, obwohl der Rentenbeitrag zum 1. Januar von 19,9 auf 19,6 Prozent gesunken ist. Die Entlastung für Beschäftigte und Arbeitgeber betrug allein in diesem Jahr 2,6 Milliarden Euro.
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Bei einer Monatsrente von 750 Euro ergibt sich im Westen ein Plus von 16,35 Euro, im Osten von 16,95 Euro. Bei 1200 Euro Monatsrente gibt es im Westen 26,16 Euro und im Osten 27,12 Euro mehr. Männer erhalten nach Angaben des Sozialverbandes VdK im Bundesdurchschnitt 930 Euro Rente im Monat, Frauen 514 Euro. Dem VdK zufolge macht die Rentenerhöhung die Inflationsrate von derzeit 2,3 Prozent nicht wett. Rentner hätten seit 2004 einen Kaufkraftverlust von neun Prozent hinnehmen müssen, so der VdK.
Der Aufschlag fällt vor allem im Osten deutlich geringer aus als ursprünglich erwartet. Im vergangenen Herbst hatte die Spitze der Rentenversicherung ein Plus von 3,2 Prozent für die Ostrentner und von 2,3 Prozent für die Westrentner prognostiziert. Durch die leicht höhere Steigerung im Osten wird sich der Rentenrückstand zum Westen minimal verringern.
Zur Erklärung des im Osten geringfügig höheren Zuschlags weist das Ministerium darauf hin, dass der Westen 2010 in der Wirtschafts- und Finanzkrise stärker von der Schutzklausel gegen Rentenkürzungen (Rentengarantie) profitierte als der Osten. Die damals trotz gesunkener Reallöhne unterlassenen Rentenkürzungen werden jetzt mit den Erhöhungen teilweise verrechnet. Im Osten ist dieser "Überhang" nunmehr abgebaut, im Westen wird er die Rentenerhöhung im kommenden Jahr nochmals beschneiden.
Grundsätzlich sieht das Arbeitsministerium das Rentensystem in gutem Zustand: "Die kräftige Rentensteigerung, die gut gefüllte Nachhaltig-keitsrücklage und die Beitragssatzsenkung zu Beginn des Jahres, die Beschäftigte und Arbeitgeber allein 2012 um 2,6 Milliarden Euro entlastet, sind zusammen Ausweis des stabilen, demografiefesten gesetzlichen Rentensystems in Deutschland."
Bundessozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) will bis zur Sommerpause ein Gesetzespaket zur Rentenreform vorlegen. Ziel ist der Kampf gegen Altersarmut. Geplant ist unter anderem die Einführung einer Zuschussrente. Geringverdiener, die lange gearbeitet und zugleich privat vorgesorgt haben, sollen im Ruhestand nicht auf Hartz IV angewiesen seien. Die Wirtschaft warnt schon vor einer milliardenschweren Belastung.
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Nach Angaben des Arbeitsministeriums sind von den 16,8 Millionen Senioren ab 65 Jahren derzeit rund 400 000 auf Leistungen aus der Grundsicherung im Alter angewiesen. Von der Zuschussrente würden nach Angaben des Ministeriums im Einführungsjahr 2013 rund 50 000 Rentner profitieren. Im Jahr 2030 würden es demnach 1,4 Millionen Menschen sein. Das Ministerium rechnet im ersten Jahr mit Kosten von rund 90 Millionen Euro, die auf rund 3,4 Milliarden Euro im Jahr 2030 ansteigen würden. Das Kabinett soll den Gesetzentwurf Ende Mai auf den Weg bringen.
Die SPD-Linke verschärft unterdessen ihren Kampf gegen die Rente mit 67. "Wir wollen da schon Druck machen", kündigte der bayerische Bundestagsabgeordnete Klaus Barthel an, der am Sonnabend auf einem Bundeskongress in Bonn zum neuen Chef der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) gewählt werden soll. Die gesetzliche Rente müsse "wieder den Lebensstandard sichern". Die Riester-Rente sei ein "Irrweg", jeder dafür ausgegebene Euro "Verschwendung" und eine "Subvention der privaten Lebensversicherer", kritisierte Barthel. Barthel soll Nachfolger des SPD-Linken und Hartz-Kritikers Ottmar Schreiner werden, der nach zwölf Jahren an der Spitze der AfA nicht mehr antritt. Es werde "keinen Kurswechsel geben", Schreiners Positionen gegen einen Großteil der rot-grünen Arbeitsmarktreformen habe er "immer geteilt", sagte der bisherige AfA-Vize.