Ausländische Abschlüsse sollen leichter anerkannt werden. Hamburg plant eigene Regelungen, Handwerkskammer startet Pilotprojekt.

Hamburg. Als Sinan Bektas neulich abends von der Arbeit zurückkam zu seiner Familie nach Lurup, kam sein kleiner Sohn auf ihn zu und sagte: "Papa, ich will kein Friseur werden. Du siehst immer so müde aus, und du verdienst so wenig Geld." Bektas sitzt vor einem großen Spiegel, er lehnt über dem wuchtigen gepolsterten Friseurstuhl in seinem Salon in der Großen Bergstraße. Und Bektas sagt: "Ich habe langsam keine Kraft mehr zu kämpfen."

In großen lila Buchstaben steht es draußen über dem Schaufenster: Sinans Beauty Lounge. Seit Anfang 2011 gehört Bektas der Friseursalon. Und seitdem muss Bektas einen Friseur mit deutschem Meistertitel beschäftigen, für 1600 Euro im Monat, damit sein Laden nicht geschlossen wird. Denn sein türkischer Meister ist nicht anerkannt.

Bektas ist nicht nur Geschäftsmann, er ist auch ein guter Friseur, schon als Kind half er aus in einem Salon in seiner Heimatstadt Izmir. Die Familie hatte wenig Geld, der Vater starb früh. Also musste Bektas ran. Als er erwachsen war, leitete er zehn Jahre seinen eigenen Salon in Izmir, machte den Meister, bildete selbst aus. "Friseur ist Lebensart", sagt Bektas. Aber das, was Bektas in der Türkei gelernt hat, die Jahre, die er in Hamburg in Salons gearbeitet hat, bei My Cut, bei Salon Class - all das wurde nicht anerkannt in Deutschland, seiner neuen Heimat.

15-mal sei er bei der Handwerkskammer gewesen, seine Anerkennung wurde abgelehnt, es fehlten Belege, er konnte seine Berufserfahrung nicht ausreichend nachweisen. Bektas sei vertröstet worden, er solle die Gesellenschule besuchen, dann lieber gleich die Meisterschule. Dann kam wieder eine Absage, erzählt er. Bektas ist da, wo er vor einem Jahr war. Keinen Schritt weiter. Und sein Geld wird knapp.

Seit Anfang April gilt ein neues Gesetz in Deutschland, das Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz. Menschen, die im Ausland eine Ausbildung gemacht oder studiert haben, genießen ein Recht darauf, dass die Anerkennung ihres Abschlusses geprüft wird. Egal, aus welchem Land jemand kommt, egal, welchen Aufenthaltsstatus er hat, sogar vom Ausland aus können Abschlüsse geprüft werden, immer innerhalb von drei Monaten. Auch das ist neu. Wird der Antrag abgelehnt, müssen die Qualifikationen genannt werden, die fehlen. Vielen, die wie Bektas über Bürokratie klagen, soll damit geholfen werden. Auch die Handwerkskammer begrüßt das Gesetz, es schaffe endlich rechtliche Klarheit und faire Chancen.

+++ Hamburg fördert Anerkennung fremder Abschlüsse +++

Die Bundesregierung will mit dem neuen Gesetz vor allem den Fachkräftemangel bekämpfen. Geschätzt 300.000 Betroffene können ihren Abschluss nun anerkennen lassen, in Hamburg sind es 6000. Einer von ihnen ist Sinan Bektas.

Allerdings regelt das Gesetz bisher nur Berufe, für die der Bund auch zuständig ist. Lehrerinnen, Sozialarbeiter, Ingenieure und die Hochschulabschlüsse sind Sache der Länder. Doch bisher konnte kein Land das im November durch den Bundesrat verabschiedete Gesetz in Landesrecht übersetzen. In Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein stockt der Prozess wegen der anstehenden Landtagswahlen.

Hamburg will nun ein Gesetz auf den Weg bringen, gestern stellte Arbeitssenator Detlef Scheele (SPD) einen Entwurf vor. Bis zur Sommerpause soll er in der Bürgerschaft diskutiert werden. "In Hamburg leben Tausende Fachkräfte, Ärztinnen, Pfleger, Pädagoginnen und Ingenieure mit Migrationshintergrund, die als Haushaltshilfen oder Taxifahrer arbeiten", sagt Kazim Abaci, Geschäftsführer von Unternehmer ohne Grenzen und Sprecher für Integration bei der Hamburger SPD-Fraktion. Sie alle könnten nun einen Antrag auf Anerkennung ihrer Ausbildungsabschlüsse stellen. Wie die Opposition in Berlin kritisiert auch Abaci das Bundesgesetz. "Zum einen brauchen wir einen klaren Rechtsanspruch auf Beratung, zum anderen muss der Staat den Menschen bei einer Weiterqualifizierung finanziell helfen", sagt Abaci.

Der Senat will nun das Recht auf Beratung in dem Landesgesetz verankern. Bisher als einziges Bundesland. Auch die Handwerkskammer begrüßt das neue Gesetz. Ein Pilotprojekt startet dort zum 1. Mai, finanziert von der Behörde und dem Europäischen Sozialfonds, bei dem 100 Betroffenen bei einer notwendigen Qualifizierung für eine Anerkennung geholfen werden soll. Friseur Bektas, sagt die Handwerkskammer, sei genau so ein Fall, auf den das neue Gesetz jetzt zutreffe. Es werde helfen, dass sein türkischer Meistertitel anerkannt werden kann.

Zahlen müssen die Antragsteller ihre Anerkennung selbst. Bei der Handwerkskammer kostet das 100 bis 600 Euro, je nach Aufwand. Auch die Frist von drei Monaten für eine Prüfung gilt für die Länder erst ab Dezember - Zeit, um die Zuständigkeiten für schnelle Anerkennung in den Berufskammern zu organisieren.

Unverändert gilt zudem: Wer seine Berufserfahrung nicht ausreichend mit Dokumenten nachweisen kann, hat weiterhin hohe Hürden bei der Anerkennung. Das gilt vor allem für Flüchtlinge, aber auch für Zuwanderer, die als Köche oder Erzieher in der Heimat gearbeitet haben. Oftmals fehlen ihnen Belege der staatlichen Stellen oder der Arbeitgeber. Das neue Gesetz bietet zumindest die Möglichkeit, Berufserfahrung nun mithilfe von Fachgesprächen oder praktischen Tests nachzuweisen.