Nach der Wahl zum FDP-Spitzenkandidaten attackiert Lindner die Konkurrenz. Warnung vor Einheitsschule. Papke auf Platz zwei der Landesliste.

Duisburg. Die FDP in Nordrhein-Westfalen steht geschlossen hinter ihrem Hoffnungsträger Christian Lindner. Mit 99,7 Prozent der Stimmen wurde der 33-Jährige am Sonntag auf einem außerordentlichen Landesparteitag in Duisburg zum Spitzenkandidaten für die NRW-Landtagswahl gekürt. Unter den 395 Delegierten war nur ein Liberaler, der gegen Lindner votierte. In seiner Bewerbungsrede hatte Lindner zuvor das Profil der Liberalen geschärft und das gesamte Spektrum der politischen Konkurrenz attackiert.

Im Dezember 2011 war Lindner vom Amt des Generalsekretärs zurückgetreten und hatte sich in die zweite Reihe der Politik zurückgezogen. Nach der Auflösung des Düsseldorfer Landtages Mitte März holte der FDP-Landesvorstand überraschend den 33-Jährigen für die NRW-Wahl zurück. "Zwei Jahre habe ich Berliner Luft geschnuppert, jetzt bin ich wieder hier Zuhause in Nordrhein-Westfalen", sagte Lindner am Sonntag in Duisburg.

Im Wahlkampf will der Spitzenkandidat mit einem Dreiklang aus fairer Bildung, sicherem Wohlstand und einem gesunden Staat das liberale Profil stärken. Vor allem das Thema Finanzen stellte er am Sonntag in den Mittelpunkt. Rot-Grün habe in den vergangenen 20 Monaten auf eine "Politik mit Pump" gesetzt, die die kommenden Generationen "in die Ketten von Schulden" nehme, sagte der FDP-Politiker. Der SPD sprach Lindner gar jegliche finanzpolitische Kompetenz ab: "Der Staat kann nicht genug Geld haben, als dass Sozialdemokraten damit auskommen." Als ersten Wahlslogan präsentiere Lindner den Spruch "Lieber neue Wahlen als neue Schulden."

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Auch auf anderen Politikfeldern sparte Lindner nicht mit Kritik und schoss sich insbesondere auf die Grünen ein. Die wollten trotz des Schulfriedens die Einführung einer Einheitsschule vorantreiben und damit das Gymnasium infrage stellen. "Wir müssen aufpassen, dass der Schulkonsens nicht ein trojanisches Pferd ist und am Ende eine Gemeinschaftsschule rauskommt", sagte er.

In der Industriepolitik blockiere die Öko-Partei gar die wirtschaftliche Fortentwicklung und gefährde den nordrhein-westfälischen Industriestandort. "In NRW hat der grüne Umweltminister alles, und der rote Wirtschaftsminister gar nichts zu sagen", behauptete Lindner. Sowieso wollten die Grünen die Bürger zu "Staatsinsassen" machen und deren Leben "in Schablonen legen", wenn immer neue Vorhaben wie Rauchverbote, eingeschränkte Ladenöffnungszeiten und Tempolimits auf die Tagesordnung gesetzt würden. Der CDU warf Lindner vor, sich für die Grünen "hübsch" zu machen und die Partei als künftigen Partner in den Blick zu nehmen.

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Auch auf die in Umfragen deutlich vor den Liberalen liegenden Piraten ging Lindner ein. Beim Thema Bürgerrechte im Internet gebe es zwar Gemeinsamkeiten. Forderungen nach kostenlosem Personennahverkehr und Internetzugang sowie Laptops für alle Schüler ab der fünften Klasse zeigten aber: "Die Piratenpartei ist keine liberale Partei. Sie ist eine Art Linkspartei mit Internetanschluss. "Die schlechten Umfragewerte, wonach die FDP bei der Wahl am 13. Mai um den Wiedereinzug in den Landtag bangen muss, machte Lindner nicht zum Thema. "Ich empfehle uns, bis zur Wahl keine Umfragen mehr zu lesen", sagte der Liberale. Die FDP solle sich auf ihre Themen konzentrieren und mit Selbstbewusstsein, Bescheidenheit und Souveränität in die politische Auseinandersetzung gehen.

Hinter Lindner landeten auf den weiteren Plätzen der Landesliste der bisherige Fraktionschef Gerhard Papke, die Finanzexpertin Angela Freimuth und der Justizexperte Robert Orth. Am Nachmittag sollte noch der Wahlaufruf «Lieber neue Wahlen als neue Schulden» verabschiedet werden. Am 13. Mai wird im bevölkerungsreichsten Bundesland ein neues Parlament gewählt. Die vorzeitige Neuwahl war nötig geworden, da die rot-grüne Minderheitsregierung Mitte März mit ihrem Haushaltsentwurf für das Jahr 2012 gescheitert war und der Landtag sich daraufhin einstimmig aufgelöst hatte.

Nach seiner Wahl zum Spitzenkandidat der Liberalen für die NRW-Landtagswahl kritisierte der frühere FDP-Generalsekretär im ARD-„Bericht aus Berlin“ die Piraten scharf: Lindner nehme die Piraten "als Formation selbst nicht sehr ernst." Viele Programminhalte der Piratenpartei seien „vage oder inakzeptabel“ – so etwa die Forderung nach Aufhebung des geistigen Eigentums. "Das wäre die kulturelle Verarmung unserer Gesellschaft“, sagte Lindner. Aber ernst nehmen müsse man die Wähler dieser Partei. Sie wollten mehr Transparenz von der Politik und dass das Thema Bürgerrechte im Internet stärker hervorgehoben werde. "Diese Botschaft ist bei uns angekommen.“

(dapd/abendblatt.de)