CSU startet mit Edmund Stoiber in den traditionellen Aschermittwoch. Für die SPD rechnet Parteichef Sigmar Gabriel mit den politischen Gegnern ab.

Passau/München. CSU-Parteichef Horst Seehofer und der Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber sind mit viel Applaus in Passau zur traditionellen Aschermittwochs-Kundgebung empfangen worden. Am Vormittag kamen die beiden Politiker gemeinsam in die Dreiländerhalle.

Nach dem Rücktritt von Christian Wulff will Horst Seehofer wegen seiner Rolle als Interims-Bundespräsident auf die sonst üblichen Attacken auf politische Gegner zu verzichten. Daher habe er als weiteren Redner Edmund Stoiber eingeladen. Seehofer verteidigte seinen eher zahm geplanten Auftritt auf dem Politischen Aschermittwoch in Passau. Es sei klar, dass er sich in seiner Rolle als kommissarisches Staatsoberhaupt ein wenig zurückhalten müsse. Aber an einem solchen Tag gehöre der Vorsitzende der CSU nach Passau, sagte der bayerische Ministerpräsident zum Auftakt seiner Rede in Passau. "Es hat Deutschland noch nie geschadet, wenn die Bayern ihre Hände im Spiel hatten.“ Seehofer hat nach dem Rücktritt von Christian Wulff kommissarisch die Amtsgeschäfte des Bundespräsidenten übernommen. Nach ihm steht der frühere CSU-Chef Edmund Stoiber auf der Rednerliste in der vollbesetzten Dreiländerhalle.

Auch weitere Parteien werden am Aschermittwoch Kundgebungen abhalten, um mit politischen Gegnern abzurechnen. So hat die SPD zum Auftakt ihrer Aschermittwochs-Kundgebung die Ablösung der schwarz-gelben Koalition im Freistaat beschworen. "Wir sind auf dem Weg zu einem Wechsel in Bayern“, sagte SPD-Generalsekretärin Natascha Kohnen in Vilshofen. "Hier wird der zukünftige Ministerpräsident von Bayern sprechen heute“, rief sie dem SPD-Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2013, dem Münchner Oberbürgermeister Christian Ude zu.

Politischer Aschermittwoch der CDU wieder mit Merkel

"Es muss sich was ändern in unserem Land“, rief Gabriel auf der Aschermittwochs-Kundgebung der SPD in Vilshofen unter dem Jubel von 3500 Anhängern. Er sprach sich vehement gegen Zockerei auf den Finanzmärkten, für eine Finanztransaktionssteuer und für mehr soziale Gerechtigkeit aus. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) habe unrecht, wenn sie sage, man müsse das Vertrauen der Märkte gewinnen. „Wir müssen das Vertrauen der Menschen gewinnen.“ Und im Freistaat müsse endlich Schluss sein mit der Machtversessenheit der CSU. „Bayern muss wieder den Bayern gehören und nicht der CSU“, rief Gabriel.

SPD-Landeschef Florian Pronold sagte: "Wir haben das Zelt voll - von der CSU-Politik haben alle die Nase voll in Bayern.“ Ude, der neben SPD-Bundeschef Sigmar Gabriel Hauptredner in Vilshofen ist, war von den rund 3500 SPD-Anhängern zuvor mit großem Jubel und „Ude, Ude“-Sprechchören empfangen worden. Die SPD-Kundgebung findet erstmals in einem großen Festzelt statt.

Grünen-Landtagsfraktionschefin Margarete Bause hat auf der Aschermittwoch-Kundgebung der Grünen über den plötzlichen Zuspruch der CSU für Joachim Gauck als nächsten Bundespräsidenten gespottet. "Eingeknickt sind sie, von Einsicht keine Spur“, sagte sie bei der Parteiveranstaltung in Landshut. Es sei ein Einknicken vor der "Zwei-Prozent-Partei FDP“ gewesen. Aber Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sei ja geübt im schnellen Richtungswechsel und rasanten Meinungswandel. "Da wundert sich der Wetterhahn, wie schnell der Horst sich drehen kann“, reimte Bause. Die CSU-Spitze hatte zunächst eine Unterstützung Gaucks ebenso wie die CDU abgelehnt.

Und auch die bayrischen Piraten haben eine Aschermittwoch-Kundgebung abgehalten. Der Landesvorsitzende Stefan Körner machte sich in Ingolstadt über altmodische Politiker lustig: "Wer Twitter für Mist hält, sollte beim Fax bleiben.“ Neben Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) erntete auch Bayerns SPD-Spitzenkandidat Christian Ude Spott. "Der twittert, wie er redet: Langsam, bedächtig, und letztlich ohne Inhalt“, sagte Körner. Die Piraten hatten sich bereits zum vierten Mal zum traditionellen Aschermittwoch in Ingolstadt versammelt. Aus Platzmangel zogen sie in diesem Jahr jedoch von einem Vereinsheim ins Stadttheater um.

Der politische Aschermittwoch

Am Aschermittwoch fliegen in Bayern die Fetzen - zumindest verbal: Sämtliche größeren und mittlerweile auch viele kleinere Parteien rechnen an diesem Tag mit dem politischen Gegner ab - bei Versammlungen mit Volksfestcharakter, zu denen das Publikum aus dem ganzen Freistaat und teilweise aus der ganzen Republik anreist.

Hauptschauplatz des derben Schlagabtauschs ist die Passauer Dreiländerhalle, wo die CSU traditionell ihre Kundgebung abhält. Die anderen Parteien verteilen sich auf verschiedene Städte vorwiegend in Niederbayern. Die SPD, sonst Stammgast im "Wolferstetter Keller“ in Vilshofen, hat dort diesmal ein großes Bierzelt aufstellen lassen.

In Vilshofen im Landkreis Passau liegen auch die Wurzeln des politischen Aschermittwochs: Im 19. Jahrhundert wurde dort am Aschermittwoch ein Viehmarkt veranstaltet, ab dem Jahr 1919 folgten Kundgebungen des Bauernbundes zu Agrarthemen. Später vereinnahmten die Nazis die Kundgebungen für sich. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es zunächst die Bayernpartei, die sich an die Tradition erinnerte.

Schon bald bekam es die Bayernpartei mit einem ernstzunehmenden Konkurrenten zu tun: Die CSU schickte ab 1953 Franz Josef Strauß ins Rennen, der dann bis 1988 insgesamt 35 Kundgebungen am Aschermittwoch bestritt. Durch seine Medienpräsenz machte Strauß das Politspektakel zu dem überregional vielbeachteten Ereignis, das es heute ist.

Mittlerweile wird die ursprünglich niederbayerische Tradition in vielen Bundesländern gepflegt. Aschermittwochskundgebungen gibt es zudem längst nicht mehr nur noch von Parteien, auch Umwelt- oder Wirtschaftsverbände laden dazu ein. Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht inzwischen regelmäßig bei einer Kundgebung am Aschermittwoch: bei der CDU Mecklenburg-Vorpommern in Demmin. Und sogar die Piratenpartei folgt mittlerweile der guten alten Tradition – und lädt zum "piratigen Aschermittwoch“ nach Ingolstadt. (abendblatt.de/dpa)