Höchster Zustrom seit acht Jahren. Tausende leben und arbeiten illegal in Hamburg
Hamburg. Vier Monate lang hat Anke Kleinemeier Klinken geputzt. Die Frauenärztin aus Hamburg-Altona suchte händeringend eine Klinik, die eine Patientin weiterbehandelt. Ein Tumor im Unterleib der Frau blutete bereits. Doch es dauerte von August bis Dezember, bis sich ein Arzt fand, der die schwer krebskranke Frau womöglich kostenlos behandeln würde. Denn niemand durfte wissen, dass die Frau vom Balkan sich in Hamburg aufhält.
Kein Visum, kein Geld, keine Krankenversicherung - und kein Einzelfall. Zwischen 6000 und 22 000 Zuwanderer halten sich nach dem Buchstaben des Gesetzes illegal in Hamburg auf. Viele arbeiten für ein paar Euro auf Baustellen oder in der Gastronomie. Aus Angst, entdeckt zu werden, warten sie extrem lange mit dem Gang zum Arzt. "Die kommen im letzten Moment", heißt es bei der Diakonie, die an der Bundesstraße in Eimsbüttel zweimal pro Woche eine medizinische Sprechstunde für "Menschen ohne Aufenthaltsstatus" abhält. Einigen wurde der Asylantrag abgelehnt, sie sind untergetaucht. Andere kommen aus EU-Ländern am Rande Europas, wohin sie aus Tunesien, Libyen oder Syrien geflohen waren.
Und es gibt einen neuen Trend. Unter den "Illegalen" wächst die Zahl der Mittel- und Südamerikaner. Sie kommen aus Spanien, wo die Lage auf dem Arbeitsmarkt derzeit katastrophal ist.
Bundesweit ist die Zahl der Asylbewerber im vergangenen Jahr um elf Prozent auf 46 000 angestiegen. Das ist nach Angaben des Bundesinnenministeriums der höchste Wert seit acht Jahren. Eine Mehrheit kommt aus muslimisch geprägten Ländern, in denen politische Verfolgung weit verbreitet ist: Afghanistan, Pakistan, Syrien und Iran. Aber auch aus Serbien und dem Irak flüchteten viele Menschen. 90 Prozent der aus Serbien kommenden Menschen sind Roma.
Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sagte, die Bundesregierung wolle "tatsächlich Verfolgten großzügig Schutz gewähren, gleichzeitig aber Missbrauch und Fehlentwicklungen entschieden entgegenwirken". In der Vergangenheit hatte es immer wieder Vorfälle an der türkisch-griechischen Grenze gegeben, wo es Asylbewerbern aus dem arabischen Raum offensichtlich leicht fiel, in die EU zu gelangen. Nach geltendem EU-Recht ist Griechenland verpflichtet, die Flüchtlinge zurückzunehmen und den Asylantrag zu prüfen. Allerdings hat die Bundesregierung die Abschiebung von Asylbewerbern nach Griechenland gestoppt, weil dort offensichtlich kein faires Asylverfahren garantiert ist.
Die Hamburger Bürgerschaft hat derweil einen Fonds mit 500 000 Euro zur Verfügung gestellt, um Menschen ohne Aufenthaltsstatus in der Stadt medizinisch zu versorgen.