Fraktionschef Jürgen Trittin kritisiert, Merkel blockiere die Steuer auf Börsengeschäfte “aus Rücksicht auf eine Zwei-Prozent-Partei“.
Weimar. Die Bundestagsfraktion der Grünen hat am Donnerstag ihre traditionelle Neujahrsklausur in Weimar mit einer Debatte über Europa und die Euro-Krise fortgesetzt. Die Themen Rechtsextremismus und Herausforderungen einer digitalen Welt stehen ebenfalls auf der Tagesordnung. Die Grünen legen bei dem Treffen ihre inhaltliche und strategische Ausrichtung für das Wahljahr 2013 fest. Zum Auftakt hatten die Parlamentarier schon mal einen wegweisenden Beschluss gefasst: Wer die Worte FDP oder Wulff in den Mund nimmt, zahlt zur Strafe fünf Euro an die Menschenrechtsorganisation Amnesty International.
Die Grünen machen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Europapolitik schwere Vorhaltungen. Die Krisendiagnose der Kanzlerin sei falsch und damit auch ihr Rezept zur Bekämpfung der Krise, sagte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin. Damit habe Merkel die Rezession in Deutschland verschärft und die Krise verlängert. Sie habe mit ihrem Nein zu vernünftigen Krisenmechanismen auch dafür gesorgt, dass die Zinssätze in Staaten wie Spanien oder Italien nach oben gingen. Merkel verweigere Ansätze, die diese Spekulation beenden könnten. Und die Einführung einer Finanztransaktionssteuer blockiere sie „aus Rücksicht auf eine Zwei-Prozent-Partei“, sagte Trittin mit Blick auf die FDP. Es sei „unverantwortlich, wenn man anstatt von der vorhandenen Richtlinienkompetenz Gebrauch zu machen, sich hinter seinem Koalitionszwerg versteckt“.
„Es ist nichts mehr zu erwarten von dieser Regierung“, sagte Künast bereits am Mittwoch. Außerdem waren die Chefs mit einer Kampfansage an Schwarz-Gelb in die Klausur gestartet und hatten das Ziel ausgegeben, Union und FDP zunächst in Schleswig-Holstein und Niedersachsen und anschließend im Bund abzulösen. Bei dem Treffen begann die Arbeit an inhaltlichen Schwerpunkten für den Fall, dass die Grünen an die Macht kommen.
Auch Trittin ging die FDP wegen deren Blockade einer Finanztransaktionssteuer in der Euro-Zone hart an. Es sei „an Lächerlichkeit nicht zu überbieten“, dass FDP-Chef Philipp Rösler den Handlungsspielraum zur Bewältigung der Euro-Krise definiere. Merkel dürfe das nicht akzeptieren. Deutschland braucht nach Einschätzung der Grünen einen Kurswechsel. Nötig seien Investitionen in Arbeitsplätze, ein Mindestlohn und krisenfeste soziale Sicherungssysteme, sagte Trittin. Die soziale Spaltung im Land müsse ein Ende haben, und der Klimaschutz müsse wieder auf die Tagesordnung rücken. „2012 wollen wir die schwarz-gelbe Herrschaft in Schleswig-Holstein beenden“, sagte er. Anschließend sei das Ziel, den „Sumpf von Schwarz-Gelb“ in Niedersachsen auszutrocknen und schließlich im Bund Verantwortung zu übernehmen.
Künast betonte, Union und FDP müssten „rückstandsfrei“ abgelöst werden. Die „wahrscheinlichste“ und „logische“ Variante sei, das gemeinsam mit der SPD zu tun. Die Grünen haben zwar gerade das erfolgreichste Wahljahr in ihrer Geschichte hinter sich: Bei den Landtagswahlen 2011 gewannen sie überall dazu, fuhren neue Regierungsbeteiligungen und erstmals einen Ministerpräsidentenposten ein. Im Bundestag sind sie aber schwächste Kraft.
In Weimar begann die Arbeit an inhaltlichen Schwerpunkten für eine mögliche Regierungsbeteiligung im Bund. Die fünf Arbeitskreise der Fraktion benannten bei der Klausur jeweils ihre drei wichtigsten Projekte. Dazu gehöre unter anderen die Einführung einer Bürgerversicherung in der Kranken- und Pflegeversicherung, sagte Trittin. Ein weiteres vorrangiges Vorhaben sei ein Klimaschutzgesetz, das eine jährliche Überprüfung der deutschen Ziele Deutschlands in diesem Bereich festschreibe. Auch die Richtlinien für Rüstungsexporte müssten in einem Gesetz festgelegt werden. Die Debatte steht aber erst am Anfang. Trittin sagte, die Fraktion sei in einem „Prozess der Identifizierung von Prioritäten“. Einige Projekte aus den Arbeitskreisen seien bereits sehr konkret, wie Gesetzesvorschläge, andere seien noch „Überschriften“, an denen weiter gearbeitet werden müsse.
Mit Material von dapd/dpa