Ein Landesparteitag in Hessen könnte zum Tribunal für Guido Westerwelle werden. Der Frust über den Parteichef wächst
Hamburg. Limburg-Weilburg ist weit weg von Berlin. Wenn die FDP-Mitglieder in dem hessischen Kreisverband etwas gegen ihren Bundesvorsitzenden haben, dann könnte das die Parteizentrale und die restliche FDP relativ kalt lassen. Das Gegenteil aber ist der Fall. Auffallend oft sprechen die Liberalen in diesen Tagen über Limburg-Weilburg, genau genommen: über den Antrag des Kreisverbandes vor dem hessischen Landesparteitag am heutigen Sonnabend. Darin fordert die liberale Basis die Ablösung von Parteichef Guido Westerwelle auf einem Sonderparteitag. Politischen Sprengstoff erhielt der Antrag am vergangenen Wochenende durch Äußerungen von Jörg-Uwe Hahn, Hessens FDP-Landesvorsitzendem. "Ich bin mir nicht sicher, ob ich das wegdrücken will oder den Antrag unterstützen soll", sagte er. Den "Hilferuf der Parteibasis" müsse man ernst nehmen. Später ging er in die Defensive und sagte, man werde dem Antrag letztlich nicht zustimmen können, "aber wir werden über das Thema diskutieren".
Fände der Antrag dennoch eine Mehrheit, könnte der hessische Landesverband den Sonderparteitag aber nicht alleine erzwingen. Drei andere Landesverbände müssten sich der Forderung anschließen. Der Limburg-Weilburger Kreisvorsitzende Christoph Müller ist zuversichtlich: "Es brodelt an der Basis. Wir sind nicht der einzige Kreisverband, der so denkt." Auch Landeschef Hahn erwartet, dass die 300 Delegierten auf dem Parteitag im osthessischen Künzell bei Fulda ihren Frust ablassen. Als Gastredner werden sie Ex-Parteichef Wolfgang Gerhardt hören. Er ist ein exponierter Gegner Westerwelles.
So offen wie in Hessen wird derzeit in kaum einem anderen Landesverband über den miserablen Zustand der FDP und ihrer Spitze gesprochen. Anderswo wird Westerwelle eher noch hinter vorgehaltener Hand kritisiert. Dem Parteichef trauen immer weniger in der FDP zu, die Partei wieder auf Erfolgskurs zu führen. Längst mehren sich die Stimmen prominenter Liberaler, die eine inhaltliche Neuausrichtung der Partei fordern: hin zu einem solidarischen Charakter, wie ihn sich Gesundheitsminister Philipp Rösler wünscht, und hin zu einem mitfühlenden Liberalismus, um den Generalsekretär Christian Lindner wirbt. Und dass solch eine FDP mit sozialerem Antlitz schwer mit dem jetzigen Parteichef zu verbinden ist, gibt der Partei zu denken. Enttäuschung macht sich auch über Westerwelles Führungsstil breit. Abgeordnete und Ländervertreter fühlen sich zudem bei der Aufstellung des Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl übergangen.
Die Abweichler, die nicht den schwarz-gelben Kandidaten Christian Wulff wählen wollen, formieren sich. So wollen die drei Vertreter der sächsischen FDP-Fraktion am 30. Juni geschlossen für den Kandidaten von SPD und Grünen, Joachim Gauck, stimmen. Auch der Bremer FDP-Landeschef Oliver Möllenstädt hat erklärt, in der Bundesversammlung Gauck zu wählen.