SPD-Kandidatin Kraft plant Minderheitsregierung in NRW - mit Stimmen von links?
Hamburg/Düsseldorf. Spektakulärer Kurswechsel in Nordrhein-Westfalen: Die SPD setzt entgegen ihrer ursprünglichen Festlegung nun doch auf eine rot-grüne Minderheitsregierung. Noch vor der Sommerpause will sich die SPD-Landesvorsitzende Hannelore Kraft zur neuen Regierungschefin wählen lassen. "Der 13./14. Juli ist anvisiert", kündigte Kraft gestern an.
Sie begründete die Entscheidung mit Äußerungen von FDP-Landeschef Andreas Pinkwart, der angekündigt hatte, im Landtag ohne die CDU nach eigenen Mehrheiten zu suchen. Kraft wertete dies als Auflösung der schwarz-gelben Koalition. Es seien instabile Verhältnisse entstanden, die rasches Handeln erforderten. "Nordrhein-Westfalen braucht eine stabilere Regierung, als Rüttgers sie bieten kann", sagte Kraft.
Die schwarz-gelbe Koalition hatte bei der Wahl am 9. Mai ihre Mehrheit verloren. Seitdem waren sowohl die Gespräche zwischen SPD und CDU als auch die Sondierungen für eine Ampel-Koalition und ein rot-rot-grünes Regierungsbündnis gescheitert. In den vergangenen Tagen war vor allem der Druck aus Berlin auf Kraft gestiegen. Sowohl SPD-Chef Sigmar Gabriel als auch die Grünen-Parteispitze hatten sich für eine Minderheitsregierung ausgesprochen.
Für Jürgen Rüttgers (CDU) sind damit offenbar die letzten Tage seiner Amtszeit als Ministerpräsident angebrochen. Er sagte gestern, die SPD-Chefin werde sich nun von der Linkspartei zur Regierungschefin wählen lassen. "Jetzt droht die schlimmste Wählertäuschung, die es je in der Geschichte Nordrhein-Westfalens gegeben hat", so Rüttgers. FDP-Generalsekretär Christian Lindner warf der SPD vor, sich de facto auf die Unterstützung durch die Linkspartei verlassen zu wollen. Dies sei "politisch unwürdig und für das Land gefährlich". Die Vorsitzende der Grünen-Landtagsfraktion, Sylvia Löhrmann, kündigte an, "sofort Koalitionsgespräche aufzunehmen". Das neue Bündnis will sich am Dienstag treffen.
SPD und Grünen fehlt im Landtag eine Stimme zur absoluten Mehrheit. Beide Parteien verfügen jedoch über zehn Mandate mehr als CDU und FDP zusammen. Bei der Wahl zur Ministerpräsidentin wäre Kraft nur in den ersten drei Wahlgängen auf eine absolute Mehrheit angewiesen. Im vierten Wahlgang könnte Kraft dann aber allein mit den Stimmen von SPD und Grünen zur Regierungschefin gewählt werden.
Die Linkspartei, die über elf Sitze im Landtag verfügt, wollte sich noch nicht festlegen, ob sie Kraft wählen wird. Linken-Parteichefin Gesine Lötzsch sagte dem Abendblatt: "Wir werden keine Blankoschecks verteilen. Klaus Ernst und ich werden in der nächsten Woche mit der Fraktion über diese Fragen ausführlich diskutieren." Zugleich kündigte Lötzsch an, etwa bei der Bildungspolitik mit SPD und Grünen kooperieren zu können. Auch bot sie ihre Partei erneut für eine rot-rot-grüne Regierung an.
Mit der Bildung einer SPD-geführten Minderheitsregierung verliert die schwarz-gelbe Koalition im Bund die Mehrheit im Bundesrat. Damit wird das Regieren für die Bundesregierung unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) deutlich schwieriger, da zustimmungspflichtige Gesetze im Bundesrat gestoppt werden können.