Politologe Eckhard Jesse nennt Direktkandidaten der Partei extremistisch

Berlin. Zehn Tage vor der nordrhein-westfälischen Landtagswahl gibt sich die Linke selbstbewusst. "Wir sind der entscheidende Faktor", verkündeten die beiden designierten Parteivorsitzenden Gesine Lötzsch und Klaus Ernst gestern in Berlin.

Tatsächlich wird der Linkspartei in den meisten Umfragen vorausgesagt, dass sie den Sprung in den Düsseldorfer Landtag am 9. Mai schaffen wird. Was das Ende der von Jürgen Rüttgers (CDU) geführten Landesregierung bedeuten würde, weil es dann nach Lage der Dinge für Schwarz-Gelb nicht reichen würde. Und vermutlich auch nicht für ein Bündnis zwischen der Union und den Grünen, ziemlich sicher aber für Rot-Rot-Grün.

Kein Wunder also, dass Lötzsch und Ernst der SPD schon mal mit dem Zaunpfahl winken. An ihrer Partei werde eine solche Koalition nicht scheitern, ließen sie die Sozialdemokraten wissen, und regierungsunfähig beziehungsweise koalitionsunfähig seien die Genossen in Nordrhein-Westfalen schon gar nicht. Im Prinzip könne man nur die von der dortigen SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft vertretene Idee, Langzeitarbeitslose für gemeinnützige Arbeiten heranzuziehen, nicht mittragen. Davon abgesehen könne man sich bestimmt "näherkommen".

Kein Wort darüber, dass die NRW-Linke Unternehmen verstaatlichen, Gefängnisse schließen, Drogen legalisieren oder eine 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich einführen will. Also darüber, dass sie von Leuten beherrscht wird, die sich der Sozialistischen Linken (SL) oder der Antikapitalistischen Linken (AKL) zurechnen. Kein Wort auch darüber, dass die NRW-Linke nach wie vor vom Verfassungsschutz beobachtet wird, den sie nach eigenem Bekunden abschaffen will.

"Eindeutig extremistisch" seien SL und AKL, sagt der Chemnitzer Politologe Eckhard Jesse. Mehr als zwei Drittel der Direktkandidaten, die die Linkspartei in NRW benannt habe, kämen aus diesen Gruppierungen. Unter anderem Spitzenkandidat Wolfgang Zimmermann.

Jesse sagt voraus, dass die Formel der SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft - die NRW-Linke sei "nicht regierungsfähig" und "nicht koalitionsfähig" - nach der Wahl schnell überholt sein könnte. "Für die Linke wäre eine Regierungsbeteiligung im größten westlichen Bundesland ein Triumph. Dafür würde sie viele Kröten schlucken." Kraft sei nicht zu trauen. "Hannelore Kraft hat aus dem Fall Ypsilanti gelernt", sagte Jesse dem Hamburger Abendblatt. "Jeder kann sehen, dass die SPD-Spitzenkandidatin laviert, damit man ihr später keinen Wortbruch vorwerfen kann."

Dem amtierenden Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU) hielt Jesse ein "schweres wahltaktisches Versäumnis" vor. "Die CDU lässt zu, dass sich die SPD die Koalition mit der Linkspartei offenhält. Der Wähler will am 9. Mai aber nicht die Katze im Sack kaufen. Die zentrale Frage in diesem Wahlkampf lautet: 'Was macht die SPD, wenn es für Rot-Grün nicht reicht und die Linke den Sprung in den Düsseldorfer Landtag geschafft hat?' Jürgen Rüttgers muss Hannelore Kraft vor der NRW-Wahl zur Beantwortung dieser Gretchenfrage zwingen."