Berlin. - Im Zuge der von der schwarz-gelben Koalition geplanten weiteren Steuersenkungen können nach Auffassung von Wirtschaftsminister Rainer Brüderle 130 000 Arbeitsplätze entstehen. Dies ergebe sich aus Berechnungen seines Ministeriums, sagte der FDP-Politiker am Freitag in seiner Regierungserklärung vor dem Deutschen Bundestag. Zugrunde gelegt worden sei ein Fünf-Stufen-Tarif mit einem Entlastungsvolumen von 16 bis 17 Milliarden Euro. Die Opposition warf Brüderle in der Bundestagsdebatte erneut vor, es sei irreal, Steuern zu senken und zugleich die Wirtschaft ankurbeln zu wollen.
"Wir werden die Wirkung der kalten Progression vermindern, die unteren und mittleren Einkommensbezieher weiter entlasten", sagte Brüderle. Grundsätzlich solle mit der geplanten Steuersenkung auch die Wirtschaft unterstützt werden: Die "Stärkung der Unternehmenssubstanz" sei "ein roter Faden unserer Steuerpolitik."
Brüderle bekräftigte, er rechne in diesem Jahr mit einem Wirtschaftswachstum von knapp anderthalb Prozent, im kommenden Jahr von gut anderthalb Prozent. "Deutschland ist wieder auf dem Wachstumspfad." Die Potenziale seien aber noch nicht ausgeschöpft. Deswegen wolle die Bundesregierung Innovationen fördern, die Steuern reformieren und sich für offene Märkte einsetzen. Vor allem der Mittelstand solle gefördert werden.
"Sie fabulieren weiter von Steuersenkungen", entgegnete der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Frank-Walter Steinmeier - doch werde das nicht ohne Einschnitte gehen. Steinmeier prophezeite Winterschäden auf den Straßen, um die sich dann niemand mehr kümmern könne, und sprach von Schwimmbädern, die geschlossen werden müssten. Die Kommunen seien es also, die in der Folge bluten müssten.
Im Koalitionsvertrag hatten sich Union und FDP auf Steuersenkungen im Umfang von 24 Milliarden Euro geeinigt. Nach Angaben der Koalition sind davon acht Milliarden bereits umgesetzt. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte zuletzt den Unmut der FDP auf sich gezogen, weil er immer wieder mit Blick auf weitere Steuersenkungen darauf hinweist, dass der Koalitionsvertrag einen Finanzierungsvorbehalt beinhalte.
Nach Auffassung Steinmeiers befindet sich Deutschland hingegen "bei Weitem nicht" in einem nachhaltigen Aufschwung. "Sie warten mit gefalteten Händen, dass der Aufschwung kommt, mit nichts auf der Kante", warf er dem Wirtschaftsminister vor. Angesichts der "tiefsten Krise" und "einem großen Vertrauensverlust unter der Bevölkerung in die Stabilität der Wirtschaftspolitik" müsse zunächst dieses Vertrauen wiederhergestellt werden. "Deshalb ist es so gefährlich zu sagen: Macht euch keine Sorgen, die Wirtschaft brummt", sagte Steinmeier.
Der Grünen-Abgeordnete Fritz Kuhn erklärte, er vermisse Vorschläge der Regierung, die Kurzarbeit für innerbetriebliche Weiterbildung auszuschöpfen. Der Wirtschaftsminister sei lediglich ein "Ankündigungs-Guru". Weder seien die Steuersenkungspläne finanziell umzusetzen, noch halte das Entflechtungsgesetz das versprochene Mehr an Wettbewerb.