Untersuchungsausschuss nimmt seine Arbeit auf. Bundesregierung: “Wir haben nichts zu verbergen.“ Oppositionsparteien wittern dagegen “Trickserei“ beim Zeitplan.
Berlin. Mit heftigem Streit zwischen Regierung und Opposition hat gestern der Bundestags-Untersuchungsausschuss seine Arbeit aufgenommen, der Licht in die Nacht vom 4. September 2009 bringen soll - viereinhalb Monate nachdem Oberst Georg Klein den Luftangriff auf zwei Tanklaster im Norden Afghanistans befahl, bei dem bis zu 142 Menschen getötet wurden. Vor allem soll aufgeklärt werden, wer in Berlin was wann gewusst hat. Immerhin hat die sogenannte Kundus-Affäre nicht nur den damaligen Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) das Amt gekostet. Anschließend entließ Jungs Nachfolger Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) auch noch den zuständigen Staatssekretär Peter Wichert und Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan.
Inzwischen steht der CSU-Politiker selbst im Fokus. Grund: Guttenberg hatte kurz nach seiner Amtseinführung Anfang November erklärt, der tödliche Luftschlag, bei dem nicht nur Taliban, sondern auch Zivilisten starben, sei unvermeidlich gewesen. Er revidierte seine Einschätzung Anfang Dezember. Wie er angesichts der ihm vorliegenden Informationen überhaupt zu seiner Bewertung gekommen ist, wird er dem Untersuchungsausschuss erklären müssen.
Zankapfel war gestern der zeitliche Ablauf des Unternehmens, das sich wohl bis zum Jahresende hinziehen wird. Dem Ausschuss liegen rund 100 Beweisanträge vor, 40 Zeugen sollen geladen werden. Union und FDP wollen zuerst die Aussagen von Fachleuten und Militärs hören, um die Sachzusammenhänge zu klären. Was den Verteidigungsexperten der Linkspartei, Paul Schäfer, bereits im Vorfeld zu der bösen Bemerkung inspirierte, die Koalition wolle eine "militär- und landeskundliche Vortragsreihe" veranstalten. Die Parteien der Opposition dringen auf schnelle Befragung der politisch Verantwortlichen. Sie wollen zu Guttenberg so schnell wie möglich vorladen, am besten bereits im März, auf jeden Fall aber vor der nordrhein-westfälischen Landtagswahl. SPD-Obmann Rainer Arnold hat der Bundesregierung bereits unterstellt, sie wolle beim Zeitplan "tricksen", um im Mai nicht schlecht auszusehen.
Einigkeit bestand gestern nur darin, in den ersten Sitzungen als ersten Themenblock die Vorgänge um den Angriff selbst zu thematisieren. Dann sollen die Kommando-, Informations- und Befehlsstränge sowie die Rolle der Ministerien betrachtet werden. Ernst-Reinhard Beck (CDU), der verteidigungspolitische Sprecher der Union, sagte, Aufklärung sei auch das Ziel der Union. Auch gegen die von der Ausschussvorsitzenden Susanne Kastner (SPD) angekündigte Ladung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) habe man nichts. "Wir haben nichts zu verbergen." Es sei aber "pures Wunschdenken", Guttenberg schon im März hören zu wollen. Es lägen noch nicht alle Akten vor, zudem müssten Ladungsfristen eingehalten werden. Sollte es hinsichtlich des dritten Untersuchungskomplexes - der politischen Aufarbeitung - dann zu keiner Einigung über die Reihenfolge der Zeugenbefragung kommen, muss das "Reißverschlussverfahren" greifen. Das bedeutet, Opposition und Regierung können im Wechsel Zeugen laden.
Damit käme Guttenbergs Auftritt möglicherweise tatsächlich schon im März. Sehr zur Genugtuung von Grünen-Obmann Omid Nouripour, der der Auffassung ist, dass sich die Koalition keinen Gefallen tut, "wenn sie blockiert". SPD-Obmann Kollege Hans-Peter Bartels wies dem "Spiegel" gegenüber darauf hin, dass die Bundesregierung noch keinen Bericht zur Kundus-Affäre vorgelegt habe. Dafür, so Bartels Vermutung, müsse es Gründe geben. "Und das macht den Untersuchungsausschuss so spannend."