Wie käuflich ist die Politik? Zwei Verfassungsrechtler fordern im Hamburger Abendblatt eine Reform des Parteiengesetzes - nicht ohne Grund.
Hamburg. "Nie käme ich auf die Idee, Ihre Parteien könnten käuflich sein", heißt es in einer E-Mail, die derzeit bei der FDP und der CSU eintrudelt. "Gleichwohl möchte ich Sie um etwas bitten: Halten Sie am Atomausstieg fest! Eventuell würde ich dann in Erwägung ziehen, Ihren Parteien jeweils fünf Euro zu spenden - natürlich rein zufällig."
Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen: Seit publik wurde, dass der Hotelier August Baron von Finck der FDP 1,1 Millionen Euro und der CSU 820.000 Euro gespendet hat und die Regierung danach den Mehrwertsteuersatz für Hotelübernachtungen mehr als halbierte, ist eine Debatte neu entbrannt: Wie käuflich ist die Politik? Die Verfassungsrechtler Hans Herbert von Arnim und Joachim Wieland fordern im Abendblatt eine Reform des Parteiengesetzes.
Es geht um viel Geld: 2007 - aus diesem Jahr stammen die aktuellsten Zahlen - sammelte die CDU 19,1 Millionen Euro Spenden, die CSU erhielt 10,7 Millionen, die SPD 10,6, die FDP 7,1 Millionen, die Grünen 3,2, die Linken 1,5 Millionen. Hinzu kommt ein Bonus: 38 Cent gibt es für jeden Spenden-Euro bis zu einer Grenze von 3300 Euro.
Seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland flossen auch illegale Parteispenden. Besonders hilfreich war die "Staatsbürgerliche Vereinigung". Industrielle sammelten über die Stiftung Geld, vor allem für die CDU, aber auch für die CSU und die FDP. Von Liechtenstein aus wurde das Geld illegal weitergeleitet. Von 1969 bis 1980 sollen auf diese Weise mehr als 200 Millionen Mark geflossen sein. Der Steuerzahler wurde um viel Geld betrogen, da die Industriellen ihre Spenden illegal von der Steuer absetzen konnten. Später kam heraus, dass die Schatzmeister von CDU, FDP und sogar der SPD sich bereits früh gegenseitiger Hilfe versichert hatten für den Fall, dass ihr System auffliegt.
In den 80er-Jahren wird Deutschland als "gekaufte Republik" verhöhnt: Der Unternehmer Friedrich Karl Flick hatte "zur Pflege der politischen Landschaft" fast alle Parteien geschmiert, um Steuern zu sparen. Das Schmiergeld verschwand in Geldwaschanlagen. Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff (FDP) trat zurück.
Die CDU-Spendenaffäre 1999 sorgte dafür, dass es heute ein präziseres Parteiengesetz gibt: Helmut Kohl musste zugeben, dass auf schwarzen Konten Spendengelder in Höhe von bis zu zwei Millionen Mark deponiert waren. Die Namen der Spender verrät er bis heute nicht und verweist auf sein "Ehrenwort". Ein Geldkoffer mit einer Million Mark, den der Waffenlobbyist Karlheinz Schreiber an CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep übergeben hatte, hatte die Ermittlungen ausgelöst. Hessens CDU musste einräumen, dass Millionen nicht nur im Ausland geparkt wurden, sondern als angebliche "jüdische Vermächtnisse" wieder zurückflossen.
Seit 2002 gibt es ein neues Parteiengesetz. Spenden über 50.000 Euro müssen dem Bundestagspräsidenten sofort gemeldet werden, damit sie veröffentlicht werden können. Parteispenden über 10.000 Euro müssen in den Rechenschaftsberichten der Parteien veröffentlicht werden. Werden Spenden von mehr als 10.000 Euro nicht korrekt ausgewiesen, muss ein Bußgeld gezahlt werden, das doppelt so hoch ist wie der verschwiegene Betrag.
Rein rechtlich war die Spende des Hoteliers Finck also völlig in Ordnung. Aber moralisch sieht die Sache anders aus. "Großspenden bringen den bösen Schein der politischen Einflussnahme mit sich", sagt Verfassungsrechtler von Arnim dem Abendblatt. Und sein Kollege Wieland findet: "Ein Geschmäckle hat die Sache schon - schließlich kommt die Spende von einem Begünstigten." Unternehmen sollten generell keine Parteispenden machen, argumentieren die Verfassungsrechtler. "Unternehmen sind keine Träger der Demokratie", sagt Wieland. Laut Gesetz sind Spenden, die einer Partei "erkennbar in Erwartung eines bestimmten Vorteils versprochen werden", verboten - und genau darin sieht von Arnim die Gefahr: "Unternehmen dürfen nur im Interesse ihrer Firma Geld spenden - sonst machten sie sich der Untreue schuldig. Es ist doch völlig klar, dass Unternehmen mit einer Parteispende etwas erreichen wollen." In den USA und in Frankreich seien Unternehmensspenden verboten. Von Arnim findet: "Spender wie der Milliardär August von Finck sollten sich nicht hinter Firmen verstecken, sondern mit offenem Visier auftreten."
Die Verfassungsrechtler fordern eine Änderung des Parteiengesetzes. "Man sollte unbedingt Obergrenzen für Parteispenden einführen. Millionenspenden sollten nicht zulässig sein", sagt von Arnim.
Wieland zufolge sollten die Grenzen drastisch nach unten gesetzt werden, "aus Gründen der demokratischen Gleichheit". Mit Millionenspenden seien es die Reichen, die Einfluss auf die Politik ausüben. Von Arnim verweist auf die EU-Parteienverordnung: Für europäische Parteien gibt es eine Spenden-Obergrenze von 12.000 Euro.
Von Arnim kritisiert, dass der Nachweis einer Dankeschön-Spende nach dem geltenden Parteispendenrecht nur schwer möglich sei. Auch die Kontrollinstanzen seien nicht wirklich unabhängig: "Die Bundestagsverwaltung, die über die Parteispenden wacht, steht unter dem Einfluss der Parteien." Er bemängelt, dass auch die Transparenz bei den Spenden zu wünschen übrig lässt: "Die Veröffentlichung des Rechenschaftsberichts zieht sich oft bis zu zwei Jahre hin." Er fordert, dass auch kleinere Spendenbeträge schneller und in kürzeren Abständen veröffentlicht werden sollen. "Schon mit 4000 Euro kann man in einem Ortsverband Einfluss ausüben", sagt von Arnim. In Großbritannien gälten andere Grenzen: Die Parteien müssten auf Landesebene Spenden von rund 7500 Euro veröffentlichen, auf lokaler Ebene liege die Grenze bei rund 1500 Euro.