Hamburg. Nach neuen Enthüllungen in der Kundus-Affäre wächst der Druck auf Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Der entlassene Bundeswehr-Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan sagte in der ARD, der Minister habe alle wesentlichen Informationen zum Angriff von Kundus gekannt, als er diesen als "angemessen" einstufte. Der Nato-Untersuchungsbericht (COM-ISAF), der Guttenberg bei Amtsantritt am 28. November vorgelegen habe, enthalte diese Informationen, sagte Schneiderhan. Zuvor hatte SPD-Chef Sigmar Gabriel dem Verteidigungsminister den Rücktritt empfohlen.

Schneiderhan sagte, er und der ebenfalls vom Dienst entbundene Staatssekretär Peter Wichert hätten Guttenberg bei dem Gespräch vier weitere Berichte zu dem Bombardement genannt. Guttenberg sei aber nicht über die Inhalte der Berichte informiert worden.

Zuvor hatten der "Spiegel" und die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" berichtet, Schneiderhan und Wichert hätten den Minister am 25. November darüber informiert, dass es neben dem Nato-Bericht weitere Unterlagen gab, darunter ein zweiseitiger Bericht von Bundeswehroberst Georg Klein sowie ein Feldjägerbericht. Guttenberg hatte Schneiderhan und Wichert am 26. November entlassen.

SPD-Chef Gabriel sagte zu den Berichten über die angebliche frühzeitige Information Guttenbergs: "Wenn das zutrifft, muss die Bundeskanzlerin ihn wie seinen Vorgänger zum Rücktritt auffordern." Für Guttenberg müsse "die gleiche Messlatte" gelten wie für Ex-Verteidigungsminister Franz Josef Jung.

Dagegen verteidigte Guttenberg in der "Bild am Sonntag" seine Entscheidung zur Entlassung von Schneiderhan und Wichert. Beide hätten ihm "relevante Dokumente" vorenthalten, sagte der Verteidigungsminister.

Der "Spiegel" und die "Süddeutsche Zeitung" zitierten aus einem als geheim eingestuften Nato-Bericht über den Luftangriff, das Ziel der von Oberst Georg Klein befohlenen Bombardierung seien weniger die entführten Tanklaster, sondern eine Gruppe von Taliban und ihre Anführer gewesen. Auch in dem offiziellen Isaf-Untersuchungsbericht stehe: "Er wollte die Menschen angreifen, nicht die Fahrzeuge." Das Vorgehen soll Teil einer vom Kanzleramt gebilligten Eskalationsstrategie gewesen sein.

Gabriel sagte, damit sei der Eindruck entstanden, als sei mandats- und völkerrechtswidrig gehandelt worden. Die Bundeskanzlerin müsse zu den Hintergründen des Luftangriffs eine Regierungserklärung abgeben. Die Grünen-Fraktionschefs Renate Künast und Jürgen Trittin erklärten: "Frau Merkel muss klären, ob eine Strategie des gezielten Tötens Bestandteil der Afghanistan-Politik der Bundesregierung ist. Trittin warf Guttenberg vor, er habe zu dem Bombardement wissentlich die Unwahrheit gesagt. "Man nennt das landläufig: ,Er hat gelogen'", sagte Trittin in der ARD.

Guttenberg ließ die Vorwürfe weiter an sich abprallen. Zu Rücktrittsforderungen sagte er: "Ja, ja: je lauter das Rufen, umso gewichtiger die Argumente." Es gehe bei den Vorfällen um Vorgänge aus der Zeit außerhalb seiner Verantwortung. "Wer glaubt, den 4. September an mir festmachen zu können, sollte sich daran erinnern, dass ich da noch gar nicht Verteidigungsminister war."