Worum geht es bei den Klimaverhandlungen in Kopenhagen? Auf den ersten Blick geht es darum, wer welche Beiträge leistet, damit wir gemeinsam den Kampf gegen den Klimawandel gewinnen. Doch schaut man genauer hin, erkennt man: Es geht um weltweite Entwicklungschancen. Und damit um einen ernsten Verteilungskampf auf der Bühne der Vereinten Nationen.
Es geht um Chancen, Wohlstand zu erlangen, und darum, wie diese Chancen in einer Welt verteilt werden, in der der Klimawandel dem Wachstum Grenzen setzt. Kein Land will sich die Freiheit nehmen lassen, sich wirtschaftlich zu entwickeln. Jedes Land will seinen Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen, Lebensqualität und Wohlstand zu mehren.
Versetzen wir uns in die Lage der Entwicklungsländer, die diesen Traum von Wohlstand noch nicht verwirklichen konnten, dann wird ihre scheinbar harte Verhandlungslinie nachvollziehbar und akzeptabel. Es sind ihre Entwicklungschancen, die auf dem Spiel stehen.
Aber es geht auch um unsere Zukunft. Wir brauchen die Mitwirkung der Entwicklungsländer, um des Klimawandels Herr zu werden. Denn von heute bis zum Jahre 2050 werden 90 Prozent der zusätzlichen Emissionen aus Entwicklungs- und Schwellenländern kommen.
Bisher haben Entwicklungsländer nur verschwindend gering zum Klimawandel beigetragen. Ganz Afrika hat gerade einmal 2,5 Prozent der weltweiten Emissionen bewirkt. Doch 98 Prozent der Menschen, die von klimabedingten Katastrophen betroffen sind, leben in Entwicklungsländern. Letztlich durch Industrieländer verursachte Dürren, Überschwemmungen und Stürme bedeuten für sie einen unmittelbaren Überlebenskampf.
Entwicklungspolitik steht dafür, diese Menschen bei der Anpassung an den Klimawandel zu unterstützen. Ganz konkret gesprochen müssen Entwicklungsprojekte "klimafest" konzipiert werden, zum Beispiel Dämme höher gebaut oder Bewässerungssysteme leistungsfähiger gestaltet werden.
Doch Anpassung an den Klimawandel ist nur eine Seite der Medaille. Entwicklungspolitik steht auch dafür, dass unsere Partnerländer mit moderner Technologie einen kohlenstoffarmen Entwicklungspfad einschlagen können.
Sie sollen ihren allzu verständlichen Wunsch nach Wohlstand verwirklichen können, ohne dem ressourcenintensiven Entwicklungsweg des Nordens folgen zu müssen. Deshalb wendet das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung schon heute eine Milliarde Euro pro Jahr für Klimamaßnahmen in Entwicklungsländern auf. Da die Zukunft unseres Planeten auf dem Spiel steht, ist dies selbstverständlich auch im deutschen Interesse.
Bei dieser ernsten Interessenlage muss zusätzliches, entwicklungspolitisches Geld in die Hand genommen werden, um die Klimaverhandlungen in Kopenhagen zu einem guten Ergebnis zu bringen. Denn Entwicklungsländer können nur dann bereit sein, ihre CO2-Emissionen zu mindern, wenn sie verlässliche und planbare finanzielle Unterstützung durch die Industrieländer bekommen. Ein fairer Interessenausgleich zwischen Nord und Süd wird der Schlüssel zum Erfolg sein. Ein ideales Instrument für diesen Ausgleich ist der Handel mit Emissionszertifikaten. Denn er ist verursachergerecht und er folgt den Regeln der Marktwirtschaft.
Ein Teil der zusätzlichen Mittel muss in den Schutz der Wälder investiert werden. Sie sind gigantische CO2-Speicher. Deshalb ist Waldschutz kostengünstiger und nachhaltiger Klimaschutz. Bei der Unterstützung der Entwicklungsländer handelt es sich keineswegs um "Weltsozialhilfe". Entwicklungspolitik ist Zusammenarbeit in unserem ureigenen, auch wirtschaftlichen Interesse. Denn Deutschland ist Weltmarktführer im Bereich der erneuerbaren Energien. Ohne diese Zukunftstechnologien können die anvisierten Klimaziele nicht erreicht werden. Deutsche Firmen sehen hier ihre Chancen und werden dabei zusätzliche Arbeitsplätze schaffen. Nicht umsonst gibt es viele große Unternehmen, die klare und ehrgeizige Klimaziele einfordern. Indem wir einen kohlenstoffarmen Entwicklungsweg in den Ländern des Südens unterstützen, erzielen wir mehrfache Synergieeffekte. Entwicklungszusammenarbeit ist gut für das Klima, gut für die Entwicklungsländer und gut für die deutsche Wirtschaft.
Dirk Niebel (FDP) ist Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.