Entwicklungsländer fordern 200 Milliarden Dollar. Bundeskanzlerin Angela Merkel verlangt auch von den ärmeren Staaten Maßnahmen gegen die Erderwärmung.
Kopenhagen. Uno-Klimachef Yvo de Boer ist zufrieden. Die Verhandlungen beim Weltklimagipfel in Kopenhagen kommen nach Einschätzung des Niederländers gut voran. Er sieht die Bereitschaft zu ernsthaften Verhandlungen bei der seit Montag laufenden Konferenz. Das ist ein bisschen wie bei einem Umzug, meint er: "Nach ein oder zwei Tagen richten die Leute sich ein, sie haben die Elektrogeräte gefunden, die Vorhänge in den Zimmern angebracht und sind bereit, an die Arbeit zu gehen. An diesem Punkt stehen wir heute."
Vor allem geht es weiterhin um Geld, um die finanzielle Unterstützung, die die Entwicklungsländer für Maßnahmen gegen die Klimaerwärmung von den Industriestaaten verlangen. Gestern erhöhte die Gruppe der Entwicklungsländer (G77) den Druck und forderte jährlich 200 Milliarden US-Dollar (136 Milliarden Euro) zur Bewältigung des Klimawandels. Der Verhandlungsführer der G77, Lumumba Stanislaus Di-Aping (Sudan), appellierte vor allem an US-Präsident Barack Obama, Klimahilfen für die Entwicklungsländer zu geben: "Er sollte als Friedensnobelpreisträger handeln und den ärmsten Staaten helfen."
Der Unterhändler der EU-Kommission, Artur Runge-Metzger, wies die Forderung nach 200 Milliarden Dollar pro Jahr als unrealistisch zurück. "Das übersteigt die gesamte weltweite Entwicklungshilfe." Wichtig sei es, mit einer Anschubfinanzierung zu beginnen und die Unterstützung schrittweise zu erhöhen.
Bislang im Gespräch ist ein Startfonds für 2010 bis 2012, der jährlich zehn Milliarden Dollar (rund 6,7 Milliarden Euro) umfassen soll. Innerhalb der EU, deren Staats- und Regierungschefs sich seit gestern parallel zum Gipfel in Brüssel treffen, wird über einen jährlichen Beitrag von 1,5 bis zwei Milliarden Euro zu dem Fonds diskutiert. Der schwedische Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt appellierte gestern Abend an seine EU-Kollegen, dafür feste Zusagen zu machen. Bisher hat nur die Minderheit der EU-Staaten Beiträge angekündigt. Auch Deutschland zeigt sich noch sehr zurückhaltend.
Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte Europa auf, in Kopenhagen eine Schrittmacherrolle zu übernehmen. "Wir sind die Vorreiter. Aber wir müssen jetzt auch die Kraft entfalten, die Welt davon zu überzeugen, dass wir zu einem globalen Abkommen kommen", sagte die CDU-Politikerin gestern auf dem Kongress der Europäischen Volkspartei in Bonn. Dabei müssten alle Staaten Verpflichtungen übernehmen - auch die Entwicklungsländer.
Europa allein könne das Klimaproblem nicht lösen, selbst wenn es auf jeden CO2-Ausstoß verzichte, sagte Merkel. Wichtig sei es deshalb, auch die Entwicklungsländer "davon zu überzeugen, dass wir alle gemeinsam in einem Boot sitzen". Es müsse klar sein, dass "alle Länder auch Verpflichtungen übernehmen müssen - natürlich unterschiedlich nach der jeweiligen Situation und mit einer Vorreiterrolle der Industrienationen".
Nach einem Entwurf Chinas für ein neues Klimaabkommen, der gestern in Kopenhagen bekannt wurde, sollen jedoch nur die Industrieländer feste Treibhausgasziele erhalten, nicht aber die Schwellen- und Entwicklungsländer. Nach Angaben der französischen Zeitung "Le Monde", die den Text gestern veröffentlichte, haben auch Indien, Brasilien, Südafrika und der Sudan als Sprecher der Entwicklungs- und Schwellenländer daran mitgearbeitet. Diese beiden Staatengruppen sollten laut Entwurf "basierend auf ihren spezifischen nationalen Umständen" Klimaschutzaktionen ergreifen. Konkrete Zahlen sind für diese Staaten nicht vorgesehen.
Kleine Inselstaaten warnten unterdessen erneut, die angepeilte Begrenzung der Erderwärmung auf zwei Grad sichere nicht ihr Überleben. Die Verhandlungsführerin des Insel-Bündnisses AOSIS, Dessima Williams, verlangte stattdessen ein Maximum von 1,5 Grad als Zielmarke in einem verbindlichen Klimaabkommen. Am Mittwoch war der Pazifik-Inselstaat Tuvalu aber bereits mit einem Antrag gescheitert, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Auch China, Indien und Südafrika lehnten den Vorstoß Tuvalus ab. Daraufhin waren die Verhandlungen kurzzeitig unterbrochen worden.
Uno-Klimachef de Boer bleibt trotz all der Erwartungen gelassen. Nervös seien die Teilnehmer nur angesichts der hohen Erwartungen, die an sie gestellt werden, sagt er. Was sie jetzt vorbereiten, werden die 110 Staats- und Regierungschefs in der Schlussphase am 17. und 18. Dezember verabschieden.