Die Liberalen warnen Ministerpräsidenten Tillich, Müller und Böhmer davor, sich aus den Vereinbarungen “abzuseilen“.
Berlin. Während die Kritik an den Steuersenkungsplänen der schwarz-gelben Koalition in den Ländern immer lauter wird, schwindet im Lager der Liberalen zusehends die Geduld. "Bei den vereinbarten Steuersenkungen handelt es sich nicht um eine Wunschliste, sondern sie sind Teil des Koalitionsvertrags zwischen der Union und der FDP", sagte die FDP-Bundestagsfraktionsvorsitzende Birgit Homburger dem Hamburger Abendblatt. Die Finanzlage sei allen Beteiligten vor der Wahl und damit auch während der Koalitionsverhandlungen bekannt und bewusst gewesen. Man habe in Kenntnis der schwierigen Haushaltslage solide gerechnet und sich dann auf ein Entlastungsvolumen von 24 Milliarden Euro ab 2011 verständigt. "Wenn jetzt Protest kommt", so Homburger scharf, "kann ich nur sagen: Die CDU-Ministerpräsidenten saßen doch mit am Tisch! Und sie haben zugestimmt! Und vor allem haben anschließend drei Parteitage von CDU, CSU und FDP dem Koalitionsvertrag zugestimmt. Zu einem Zeitpunkt, das wiederhole ich noch einmal nachdrücklich, an dem die Kassenlage klar war."
Ähnlich unbeugsam äußerte sich FDP-Parteichef Guido Westerwelle, der auf dem Bundeskongress der Jungen Liberalen in Saarbrücken erklärte, Koalitionsverträge schließe man, "damit sie gelten". Das, so Westerwelle, rufe er ausdrücklich jenen zu, "die sich in der Steuerpolitik jetzt abseilen möchten von dem, was gerade schwarz auf weiß vereinbart worden ist".
Zuvor hatten die CDU-Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich (Sachsen), Peter Müller (Saarland) und Wolfgang Böhmer (Sachsen-Anhalt) deutliche Bedenken gegenüber den Berliner Steuerplänen geäußert. Tillich hatte erklärt, Sachsen sei nicht bereit zuzusehen, wie seine in den vergangenen Jahren gebildeten Rücklagen für Steuersenkungen "verpulvert" würden. Müller hatte gemeint, selbstverständlich sei das Versprechen "Mehr Netto vom Brutto" grundsätzlich richtig - "nur fehlen mir schlicht die Polster, um Steuersenkungen zu bezahlen". Und Böhmer hatte im Abendblatt mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gedroht.
Und mit Wolfgang Kubicki hatte sich sogar ein prominenter FDP-Politiker dieser Kritik angeschlossen. Es sei nicht tragbar, dass die Länder dauerhaft Steuerausfälle in dreistelliger Millionenhöhe "erleiden" sollten, sagte der schleswig-holsteinische FDP-Landtagsfraktionsvorsitzende dem "Spiegel". Kubicki fügte hinzu: "Die schwarz-gelben Landesregierungen werden nicht alles, was im Bund beschlossen wird, einfach mitmachen."
Anders als Homburger und Westerwelle will Unionsfraktionschef Volker Kauder den Bedenkenträgern entgegenkommen. Die Sorgen der Länderchefs müssten ernst genommen werden, sagte Kauder dem "Tagesspiegel". "Wir können nur eine Lösung mit den Ländern finden, nicht gegen sie." Es werde "sicher keine einfache Aufgabe sein", die Koalitionsbeschlüsse zu Steuerentlastungen umzusetzen. Die vereinbarten Entlastungen in Höhe von 24 Milliarden Euro seien die "oberste Grenze" dessen, was möglich sei.
Für die geplante Steuerreform braucht die Bundesregierung die Zustimmung des Bundesrats. Union und Liberale regieren derzeit in sieben Bundesländern gemeinsam und verfügen damit über eine knappe Mehrheit in der Länderkammer.
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) geht unterdessen davon aus, dass die geplanten Steuersenkungen die Vorgaben der Verfassung nicht sprengen werden. "Die neue Bundesregierung wird die Schuldenbremse einhalten", sagte Schäuble dem "Spiegel". Er sieht aber vor 2013 auch keinen Spielraum für eine umfassende Reform.