Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident und stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende gerät wegen der Video-Affäre immer mehr unter Druck.
Berlin. Jürgen Rüttgers muss sich ernsthaft Sorgen machen um den Titel des "Reservekanzlers", also desjenigen, der in der Union zur Stelle wäre, wenn Angela Merkel über Nacht die Macht verlöre. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident und stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende gerät wegen der sogenannten Video-Affäre immer mehr unter Druck. Medienberichten zufolge soll Boris Berger in die Video-Beobachtung der SPD-Oppositionsführerin Hannelore Kraft durch die CDU eingeschaltet gewesen sein. Berger ist Leiter der Planungsabteilung in der Düsseldorfer Staatskanzlei und gilt als enger Vertrauter von Rüttgers.
Die SPD sieht das Trennungsgebot von Regierungs- und Parteiarbeit durch Bergers Aktivitäten gröblich verletzt. Sie spricht von einem "Tiefpunkt der politischen Kultur". Während die parlamentarische Geschäftsführerin Carina Gödecke gestern befand, Berger sei "reif", verglich SPD-Chef Franz Müntefering Rüttgers gegenüber der "Rheinischen Post" gar mit dem über die Watergate-Affäre gestürzten US-Präsidenten Richard Nixon.
Darüber war man wiederum in der Staatskanzlei empört. Berger, hieß es, habe sich "lediglich an der Diskussion über Berichte von öffentlichen Veranstaltungen beteiligt", die SPD versuche mit illegal erlangten Informationen einen Skandal zu produzieren, der keiner sei.
Während die Sozialdemokraten die Vorgänge nun im Landtag thematisieren wollen und bereits laut über die Einrichtung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses nachdenken, hat die CDU ihrerseits die Behörden eingeschaltet: Das Landeskriminalamt soll klären, wie Bergers interne Mails - "Gute Infos, danke!" - an die Öffentlichkeit geraten konnten.
Begonnen hatte die Video-Affäre Anfang September mit der sogenannten Rumänen-Schelte des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten. Durch einen von der SPD veröffentlichten Videomitschnitt einer Wahlkampfrede von Rüttgers waren seine abfälligen Äußerungen über die Arbeitsmoral der Rumänen bekannt geworden ("... sie kommen und gehen, wann sie wollen, und sie wissen nicht, was sie tun.") Daraufhin beschlossen die Christdemokraten, mit gleichen Mitteln zurückschlagen. Sie ließen die SPD-Landesvorsitzende Kraft durch professionelle Video-Teams filmen. Die Liberalen, die seit 2005 mit der CDU in Nordrhein-Westfalen regieren, sind über die eingerissenen Sitten entsetzt. Gerhard Papke, der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, erklärte gestern, er habe die wechselseitigen Videoüberwachungen von SPD und CDU wiederholt öffentlich kritisiert "und den sofortigen Stopp solcher Aktionen gefordert, die die politische Kultur massiv beschädigen". Seine Partei lehne alle Methoden, die dazu dienten, "politische Wettbewerber mit Spähtrupps, Störkommandos oder Videofilmen zu diffamieren", aufs Schärfste ab.