Schon vom 1. Januar 2010 an drohen gesetzlich Krankenversicherten zusätzlich zu ihren Beiträgen Extraprämien.
Hamburg. Die Prämie werde nach der Bundestagswahl "in einer schwarz-gelben Koalition eine größere Rolle spielen, wenn wir nicht nur die sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse belasten wollen", sagte der nordrhein-westfälische Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) der "Welt".
Für 2009 hatten die großen Kassen wie die Barmer und die Techniker faktisch ausgeschlossen, dass Zusatzbeiträge verlangt würden. Nur eine kleine Betriebskrankenkasse kommt mit den Zuweisungen aus dem Fonds derzeit nicht aus und verlangt eine Extrazahlung.
Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) griff Laumann scharf an: "Jetzt ist die Katze aus dem Sack: Die CDU will im Falle von Schwarz-Gelb mehr Kopfpauschalen an die Stelle der solidarischen Finanzierung der Gesundheitskosten setzen." Laumann mache erstmals deutlich, dass die CDU mit der FDP die Arbeitgeber nicht mehr an der Finanzierung der Krankenversicherung beteiligen wolle. "In kurzer Zeit wäre unser gutes Gesundheitssystem nicht mehr wiederzuerkennen. Das ist mit uns nicht zu machen", sagte Schmidt.
Auch die Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast kritisierte den NRW-Sozialminister. "Laumann lüftet Merkels Tarnkappe weiter. Das schwarz-gelbe Lügengebäude fällt zusammen. Im Schaufenster hängt eine unbezahlbare Steuerentlastung, auf der Werkbank wird an höheren Abgaben geschmiedet." Die Vorschläge ebneten den Weg in eine Zwei-Klassen-Medizin, bei der der Geldbeutel künftig über die medizinische Versorgung entscheide.
Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di warnte ebenfalls vor einer Zweiklassenmedizin nach der Bundestagswahl. "Wir stellen uns deshalb eindeutig gegen die Pläne der FDP zur Abschaffung der solidarischen Krankenversicherung", sagte Ver.di-Bundesvorstandsmitglied Ellen Paschke.
Laumanns Szenario mit Extra-Prämien ist trotz der derzeitigen Überschüsse der gesetzlichen Kassen realistisch. Experten rechnen mit höherer Arbeitslosigkeit im Herbst und Winter. Dadurch wird sich die Finanzlage vieler Kassen verschlechtern. Denn die Beitragseinnahmen sinken. Außerdem ist die aktuelle Finanzlage der Kassen geschönt. Sie haben den Steuerzuschuss des Bundes, der sonst im zweiten Halbjahr gezahlt wird, bereits zum Teil "verfrühstückt", wie es in Kassenkreisen heißt. In den Halbjahresbilanzen taucht die "Staatsknete" entgegen früherer Praxis bereits auf.
An der derzeitigen Fusionswelle selbst mittelgroßer Kassen lässt sich ablesen, dass an allen Ecken des Gesundheitswesens gespart und zusammengelegt wird. Die Zahl der gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland nähert sich der Marke von 180. Vor drei Jahren waren es noch etwa 250.