Hamburger Schüler interviewten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Die Politikerin antwortete offen und verriet, ob sie ohne Macht auskommen könnte.

Ein Interview im Zentrum der Macht: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) empfing Abiturienten des Kurt-Körber-Gymnasiums Billstedt im Morgenlage-Raum des Bundeskanzleramts in Berlin. Ein Gespräch über Internetzensur, die Verantwortung für nachfolgende Generationen, private Unterhaltungen und Träume für die Zeit nach der Politik.


Sheryl Pitzen: Helmut Kohl ist Kanzler der Einheit. Als was möchten Sie einmal in die Geschichte eingehen? Reicht es Ihnen, die erste Frau im Bundeskanzleramt gewesen zu sein?


Angela Merkel: Über diese Frage denke ich nicht nach. Ich arbeite dafür, das Vertrauen der Bürger für eine starke Union zu bekommen und für die nächsten Jahre Bundeskanzlerin zu bleiben. Die Frage der Verdienste können Historiker besser beurteilen.


Sheryl Pitzen: Gibt es so etwas wie einen weiblichen Führungsstil?


Merkel: (lacht) Da ich ja kein Mann bin, weiß ich nicht, ob mein Führungsstil besonders weiblich ist. Nach meiner Auffassung ist jeder Führungsstil sehr persönlich geprägt. Wie ich Menschen begegne, hat mit meiner Persönlichkeit zu tun, dass ich offen und neugierig bin, sicher auch damit, dass ich eine Frau und eine Naturwissenschaftlerin bin. Mein Leben ist auch dadurch geprägt, dass ich in der DDR aufgewachsen bin und dann mit 35 Jahren erlebt habe, dass sich mir mit dem Mauerfall durch die unglaublichen Veränderungen ungeahnte neue Möglichkeiten boten. Ich lerne gerne andere Meinungen kennen und versuche, nicht nur meine eigene Meinung zu sehen.

Sheryl Pitzen: Wünschen Sie sich bei den Treffen mit anderen Regierungschefs manchmal, dass mehr Frauen dabei wären?


Merkel: Das wäre eine gute Sache, ich hätte nichts dagegen. So verstehe ich mich zum Beispiel mit der Präsidentin von Chile, Michelle Bachelet, sehr gut. Aber ich arbeite auch gern mit meinen Kollegen zusammen.


Hamburger Abendblatt: Würde sich denn etwas ändern, wenn mehr Frauen in hohen Regierungsämtern wären?


Merkel: Jeder Regierungschef muss ja die Interessen seines Landes vertreten. In der Frage, wie man eine Entscheidung erarbeitet und durchsetzt, mag es Unterschiede geben. Aber in der Sache, also für sein Land einzustehen, wird sich wenig ändern.


Norbert Kaczmarek: Sind Sie privat eigentlich anders als in der Politik? Oder regieren Sie auch bei sich zu Hause?
Merkel: Nee, nee. Mein Mann achtet auf Gleichberechtigung! Zu Hause bin ich nicht Bundeskanzlerin. Wenn im Haushalt etwas zu tun ist, sprechen wir uns ab. Ich ziehe andere Sachen an, bequeme Schuhe, auch mal Jeans. Zu Hause hat jeder seine Probleme im Kopf - mein Mann die wissenschaftlichen und ich die politischen. Das führt dazu, dass wir uns austauschen, welche Schwierigkeiten der andere gerade hat. Oft reden wir aber auch über ganz andere Sachen.


Abendblatt: Über Sport? Über Mode?


Merkel: Ja, auch über Sport und Mode, aber mehr über Musik und Bücher. Und wir reden über ganz menschliche Dinge: über unsere Eltern, über Freunde und Bekannte. Wir machen Pläne: Wann gehen wir mal wieder ins Konzert? Was wird gekocht? Wen laden wir nach Hause ein?


Norbert Kaczmarek: Sie haben keine Kinder. War Ihnen der Beruf wichtiger?


Merkel: Mein Leben hat sich so ergeben, wie es ist. Ich hätte mir ein Leben mit Kindern aber auch gut vorstellen können.


Marika Williams: Wenn Sie im Internet surfen - fühlen Sie sich anonym, unbeobachtet und geschützt?


Merkel: Ich trage keine sehr persönlichen Daten in Facebook oder Ähnliches ein. Meine Internet-Einträge betreut die CDU, und das sind auch mehr politische Inhalte. Persönlich nutze ich das Internet regelmäßig als Informationsmedium.


Marika Williams: Das Bundeskriminalamt hat damit begonnen, Internetseiten zu sperren. Haben wir in Deutschland bald chinesische Verhältnisse?


Merkel: Mir ist die Freiheit der Information wichtig, daher auch die des Internets. Die Vorgänge im Iran nach den Wahlen haben den Wert des Internets als eines Mediums der Freiheit wieder gezeigt. Das Internet kann aber kein rechtsfreier Raum für Straftäter sein. Deshalb müssen wir zum Beispiel gegen abscheuliche kinderpornografische Inhalte vorgehen. Ich bin gerne bereit, auch mit den Experten der Internetszene zu diskutieren, wie wir dieses Problem angehen können, ohne in einen erbitterten Zensurstreit zu geraten.


Marika Williams: Bleiben die Sperrungen auf kinderpornografische Seiten beschränkt?


Merkel: Ich sehe zurzeit keine Notwendigkeit, weitere Inhalte im Internet zu sperren. Wir wollen keine Zensur im Internet, auch wenn uns das manche unterstellen.


Abendblatt: Kanzleramtsminister Thomas de Maizière hat "Verkehrsregeln im Internet" gefordert. Was darf man sich darunter vorstellen?


Merkel: Es geht zum Beispiel darum, den Urheberschutz zu wahren. Es gibt Menschen, die viel Arbeit in die Entwicklung eines Songs stecken. Wenn dann gnadenlos Raubkopien gezogen werden, ist das einfach nicht in Ordnung. Das Rechtsbewusstsein darf im Internet nicht aufhören. Man geht ja auch nicht einfach in einen Laden und klaut eine CD. Respekt vor dem geistigen Eigentum muss es auch im Internet geben. Aber mir geht es noch um etwas anderes.


Abendblatt: Nämlich?


Merkel: Gerade junge Menschen müssen lernen, dass sie nicht sorglos persönliche und intime Daten über sich ins Netz stellen sollten. Die Gefahr, dass diese Daten an Dritte weitergeleitet werden, muss ihnen klar sein. Es ist eine Aufgabe der Schulen, der Familien, der Medien, das Bewusstsein für den Umgang mit persönlichen Daten zu schärfen. Jedem sollte bewusst werden, welche Nachteile es haben kann, wenn er sensible Informationen über sich im Internet preisgibt.


Abendblatt: Woran denken Sie da?


Merkel: Es ist ja gerade die Stärke des Internets, dass in der Regel jeder zugreifen kann auf alle Informationen - so, als ob man einen persönlichen Brief als Annonce in der Zeitung veröffentlicht. Jeder muss deshalb für sich selbst entscheiden: Was will ich von mir preisgeben? Was soll die Welt von mir wissen und was nicht? In diese Verantwortung müssen junge Menschen hineinwachsen. Und schließlich: Das Netz vergisst nicht. Was drin ist, bleibt grundsätzlich auch drin.


Sheryl Pitzen: Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle hat Sie in letzter Zeit scharf kritisiert. Warum wollen Sie trotzdem mit diesem Menschen regieren?


Merkel: Ich verstehe mich mit Guido Westerwelle persönlich sehr gut und kann mit ihm gut zusammenarbeiten. Aber klar ist auch, dass in einer Wahl jede Partei darum kämpft, selbst möglichst stark zu werden. Insofern ist Kritik zwischen den Parteien nichts Außergewöhnliches, sondern notwendig, um unser eigenes Profil zu schärfen. Und keine Koalition ist eine Liebesheirat, sondern ein Bündnis zur Gestaltung von Politik. Man geht mit der Partei zusammen, mit der man die größten Gemeinsamkeiten hat - und das ist für uns auf den wichtigsten Feldern die FDP. Ich glaube, wir können gemeinsam mit der FDP Deutschland am besten aus der schweren Wirtschaftskrise führen. Auf anderen Gebieten wie der Innen- und Rechtspolitik haben Union und FDP dagegen mehr Unterschiede.


Abendblatt: Wann erlösen Sie Guido Westerwelle und sagen: Wir werden nach der Bundestagswahl mit der FDP und nur mit der FDP regieren?


Merkel: In unserem Regierungsprogramm, das CDU und CSU im Juni schon beschlossen haben, steht, dass wir mit der FDP regieren wollen. Das weiß Guido Westerwelle auch von mir.


Sheryl Pitzen: Ihre Schwesterpartei CSU will die FDP in den letzten Tagen vor der Wahl als "Partei der Kälte" brandmarken. Ist das in Ihrem Sinne?


Merkel: Jeder hat seinen eigenen Stil. Aber klar ist: Die Union will als Volkspartei der Mitte so viele Menschen wie möglich erreichen. Ohne eine starke Union kann es keine stabile Regierung geben. Deshalb haben wir keine Stimme zu verschenken. Wir stehen für wirtschaftliches Wachstum und sozialen Ausgleich.


Abendblatt: Sie haben sich heute schwarz-grün gekleidet. Haben Sie das für Ihren Besuch aus Hamburg getan?


Merkel: Das trage ich öfter. Auf meinen neuen Plakaten trage ich auch Schwarz-Grün.


Abendblatt: Und da hat sich niemand etwas Politisches dabei gedacht?


Merkel: Nein. Ich habe auch oft rote Blazer an. Ich trage gerne Farben, da fühle ich mich wohl.


Sheryl Pitzen: Wird Ihnen manchmal mulmig, wenn Sie daran denken, was Sie nachfolgenden Generationen hinterlassen?


Merkel: Angst ist kein guter Ratgeber. Wir mussten in der größten Wirtschaftskrise seit 60 Jahren unsere Wirtschaft massiv mit staatlichen Mitteln stützen, um katastrophale Folgen abzuwenden, auch um noch größere Kosten von den nachfolgenden Generationen abzuwenden. Das ist uns auch gelungen. Ich weiß aber, dass die Staatsverschuldung eine der größten Herausforderungen der Zukunft ist, und ich werde dieses Thema nicht vernachlässigen. Wir haben jetzt einen wichtigen Schritt unternommen und eine Bremse gegen immer mehr Schulden im Grundgesetz verankert. Wir werden damit das Ziel verfolgen, nur noch das zu verteilen, was wir auch einnehmen. Allerdings ist das erst dann wieder möglich, wenn wir die Krise überstanden haben. Bloßes Sparen oder Steuern erhöhen mitten in der Krise schwächt die Wirtschaft noch mehr und ist am Ende teurer für unser Land.


Norbert Kaczmarek: An den Finanzmärkten wird schon wieder gezockt. Lassen Sie die Chance zum Neuanfang, die die Wirtschaftskrise bietet, verstreichen?


Merkel: Nein, mit Sicherheit nicht! Ich werde in ein paar Tagen gemeinsam mit Finanzminister Steinbrück zum G20-Gipfel nach Pittsburgh fahren. Dort geht es um das Ziel, dass jedes Finanzprodukt, jeder Finanzplatz und jede Finanzinstitution einer Regulierung oder Aufsicht unterworfen werden, damit sich so eine Krise nicht wiederholen kann. Wir haben schon beim letzten Weltfinanzgipfel in London im April neue Spielregeln für die Finanzmärkte vereinbart, und das muss jetzt konsequent umgesetzt werden. Im Übrigen haben wir auch national und auf europäischer Ebene zahlreiche Entscheidungen getroffen, die zum Beispiel die Aufsicht stärken, Vergütungssysteme nachhaltiger gestalten und Interessenkonflikte bei Ratingagenturen reduzieren.


Anna Al-Khafagi: Was bedeutet das für die Boni von Bankmanagern?


Merkel: Eine wichtige Aufgabe ist, diese sogenannten Bonuszahlungen so zu begrenzen, dass sie die Wertpapierhändler nicht zu unverantwortlichen Risiken verleiten, nur um für sich Vorteile zu erzielen. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy und ich sind uns einig, was sich ändern muss: Wenn ein Unternehmen Gewinn macht, darf nur ein bestimmter Anteil davon für Bonuszahlungen ausgegeben werden. Aber wenn ein Unternehmen keinen Gewinn macht, darf es keine Bonuszahlungen geben. Boni müssen an den langfristigen Erfolg von Unternehmen gekoppelt werden. Was kein Mensch versteht, ist doch eine Belohnung für solche Manager, die schlecht gearbeitet haben und dann oft noch den Staat als Retter rufen. Das werden wir ändern. Aber wir können das wirksam nur international erreichen.


Abendblatt: Brauchen wir einheitliche Obergrenzen?


Merkel: Obergrenzen sind eine Möglichkeit zur Begrenzung von Bonuszahlungen. Die beste Orientierungsgröße ist der nachhaltige und wirkliche Erfolg eines Unternehmens.


Abendblatt: Sie setzten Erfolg mit Gewinn gleich. Ein Manager, dem es gelingt, den Verlust des Vorjahres zu halbieren, soll also keinen Bonus bekommen?


Merkel: Ich finde, wenn eine Bank Verluste macht und staatliche Hilfen in Anspruch nimmt, sollte man auf Bonuszahlungen verzichten.


Anna Al-Khafagi: Welche Konsequenzen haben Sie persönlich aus der Finanzmarktkrise gezogen? Legen Sie Ihr Geld jetzt anders an?


Merkel: Ich bin sowieso konservativ, was meine Geldanlagen angeht. Insofern brauche ich da nichts zu ändern.


Abendblatt: Reichen Ihnen zwei Prozent Zinsen auf dem Sparbuch?


Merkel: Jetzt wollen wir mal nicht zu sehr ins Private gehen. Sichere Zinsen sind mir lieber als das Risiko, die Hälfte des Geldes mit Spekulationen zu verlieren. Ich bin, wie gesagt, eine konservative Anlegerin.


Anna Al-Khafagi: Verraten Sie uns, wie viel Geld Sie und Ihr Mann verloren haben?


Merkel: Nee.


Awista Nasiri: Warum halten Sie es für gerechtfertigt, die Bundeswehr im Ausland einzusetzen? Glauben Sie nicht, dass ein Land wie Afghanistan ohne die Einmischung von außen besser dran wäre?


Merkel: Das glaube ich nicht, und auch die afghanische Regierung und die Bevölkerung sind sehr froh über die Anwesenheit internationaler Polizei- und Militärkräfte. Afghanistan war das Land, in dem die Terroristen ausgebildet wurden, die am 11. September 2001 die Vereinigten Staaten angegriffen haben. Und auch die schlimmen Terroranschläge von Madrid, London und die Absichten der Sauerlandgruppe dürfen wir nicht vergessen. Wir mussten mit vielen Staaten gemeinsam versuchen, in Afghanistan staatliche Strukturen wiederherzustellen, um die Nutzung als weltweite Basis des Terrors zu beenden. Wir sind in diesem Land für unsere eigene Sicherheit auf Grundlage einer VN-Resolution und mit ausdrücklicher Billigung der afghanischen Regierung.


Awista Nasiri: Warum bestreiten Sie, dass Krieg herrscht in Afghanistan?


Merkel: Wir sprechen mit gutem Grund von einem Kampfeinsatz der Bundeswehr, denn Krieg ist rechtlich eine Auseinandersetzung zwischen Staaten, und wir kämpfen nicht gegen Afghanistan, sondern unterstützen die gewählte Regierung. Zu unserem Einsatz gehören neben der Ausbildung von Polizei und Militär der Aufbau von Regierungsstrukturen und zivile Hilfe auf vielen Gebieten. Zur Sicherung des Wiederaufbaus setzt die Bundeswehr gemeinsam mit unseren Verbündeten militärische Mittel gegen die Taliban ein.


Awista Nasiri: Die deutschen Truppen haben einen Luftangriff auf Tanklastwagen in Nordafghanistan angefordert, bei dem einer ersten Untersuchung zufolge 99 Afghanen starben - unter ihnen 30 Zivilisten ...


Merkel: Ich habe im Bundestag ganz klar gesagt, dass ich Opfer unter der afghanischen Zivilbevölkerung zutiefst bedauere. Der Vorfall muss und wird umfassend untersucht. Allerdings sollten wir die Ergebnisse der noch laufenden Untersuchungen abwarten. Wir können dann unsere Bewertungen geben, wenn klar ist, wie die Abläufe waren. Dazu wird vor allem die Untersuchung der Nato beitragen, die alle internen Abläufe transparent macht.


Awista Nasiri: Welche Folgen hat dieser Luftangriff für Deutschland?


Merkel: Wir werden alles tun, um die Akzeptanz der Bevölkerung im Norden Afghanistans für unsere Präsenz zu erhalten. Im Bundestag unterstützen alle Parteien bis auf Die Linke den Einsatz der Bundeswehr. Ich will, dass auf der von Präsident Sarkozy, Premierminister Brown und mir angeregten Konferenz Ende diesen Jahres die Voraussetzungen geschaffen werden, um in den nächsten fünf Jahren eine Übergabestrategie in Verantwortung zu entwickeln. VN, Nato und die in der Isaf-Mission engagierten Staaten müssen gemeinsam mit der neuen afghanischen Regierung besprechen, in welchen Zeitabschnitten wir welche Fortschritte beim Aufbau erreichen können, zum Beispiel bei der Ausbildung der Sicherheitskräfte. Je schneller Afghanistan eine selbst tragende Sicherheit erreicht, desto eher können wir uns zurückziehen.


Abendblatt: Ihr Vorgänger Schröder fordert: Abzug der Bundeswehr bis 2015. Und SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier hat einen Abzugsplan vorgelegt, der sich auf 2013 bezieht.


Merkel: Der Vorschlag von Herrn Steinmeier knüpft an bei der von mir angesprochenen Initiative für eine Afghanistan-Konferenz noch in diesem Jahr. Diesen Vorstoß haben der französische Präsident Sarkozy, der britische Premier Brown und ich vor gut einer Woche bei VN-Generalsekretär Ban Ki-moon gemacht. In den nächsten fünf Jahren muss es einen erkennbaren qualitativen Fortschritt geben, der uns schrittweise einen Abbau unserer Soldaten und Helfer erlaubt.


Abendblatt: Erhöht der Afghanistan-Einsatz die Terrorgefahr in Deutschland?


Merkel: Umgekehrt ist es richtig. Der Einsatz ist die Reaktion der internationalen Gemeinschaft auf den Terror. Der Stabilisierungseinsatz der Uno gefährdet nicht die Sicherheit in Deutschland, sondern er verbessert sie entscheidend. Wir dürfen Ursache und Wirkung nicht verwechseln.


Marika Williams: Was ist momentan Ihr dringendster Wunsch?


Merkel: Politisch: dass die Union gut abschneidet bei der Wahl.


Marika Williams: Das hätte ich mir gedacht.


Merkel: Dafür arbeite ich intensiv mit vielen Auftritten in ganz Deutschland, um möglichst viele Menschen auch persönlich erreichen zu können. Für Deutschland ist mein dringendster Wunsch, dass eine neue Regierung unter meiner Führung dazu beiträgt, in dieser Krise möglichst viele Arbeitsplätze zu sichern und bald auch wieder neue zu schaffen.


Marika Williams: Sie haben als Bundeskanzlerin ja eine unglaubliche Macht übertragen bekommen ...


Merkel: ... na ja, da achtet der Herr Chefredakteur schon drauf, dass die nicht zu doll wird.


Marika Williams: Könnten Sie von einem Moment auf den anderen ohne Macht auskommen?


Merkel: Also, Macht in der Demokratie ist immer kontrolliert und sie ist wichtig, um mit Mehrheiten etwas durchzusetzen. Das deutsche System ist so eingerichtet, dass es viele Gegengewichte zur Macht des Kanzlers gibt. Als Bundeskanzlerin übe ich eine eingeschränkte und zudem transparente Macht aus. Natürlich habe ich einen großen Gestaltungsspielraum. Meine Arbeit macht mir Freude. Deshalb bewerbe ich mich für eine zweite Amtszeit und kämpfe dafür, dass ich die Wahl gewinne. Aber ich weiß, dass jedes politische Amt nur auf Zeit verliehen ist und irgendwann ein Ende hat. Und das ist gut in einer Demokratie.


Anna Al-Khafagi: Wie wird Ihr Leben nach der Politik aussehen?


Merkel: Jetzt bin ich froh, dass ich mein Leben in der Politik manage. Ansonsten träume ich davon, einmal mit der Transsibirischen Eisenbahn zu fahren, in die Mongolei und nach China. Und als ich als Bundeskanzlerin in Lateinamerika war, ist noch ein Wunsch dazugekommen. Ich würde mal sehr gerne nach Peru fahren oder mich auf den Spuren Alexander von Humboldts bewegen. Auf einem alten Inka-Weg zu wandern, das würde mich sehr, sehr reizen.


Moderation: Claus Strunz, Jochen Gaugele

Dokumentation: Karsten Kammholz