SPD-Spitzenkandidat Frank-Walter Steinmeier hat bei seinem ARD-Auftritt Chancen verpasst. Aber er hatte mehr Zuschauer als die Kanzlerin.
Köln/Hamburg. Für den SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier war die Wahlarena in der ARD ein Abend der verpassten Chancen. Und doch hat der Herausforderer die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im direkten Vergleich knapp abgehängt. Bei ihrem Auftritt im neuen Format des Ersten schauten am Montagabend 2,89 Millionen Zuschauer rein (10,8 Prozent Marktanteil) – enttäuschend für Kanzlerin und ARD. Am Abend drauf waren es nach GfK-Zahlen der ARD bei Steinmeier 3,02 Millionen (11,1 Prozent Marktanteil). Das ist noch immer wenig, aber immerhin mehr als bei der Premiere.
Genauso wohlwollend wie bei Merkel, aber etwas bissiger beim Nachbohren gaben sich die handverlesenen Zuschauer gegenüber Steinmeier. Der jedoch verpasste gerade bei seiner mutmaßlichen Klientel zu punkten. Thema Rente: Eine Frau fragte, ob man künftig tatsächlich bis 67 arbeiten müsse und ob das nicht noch abgemildert werde. Ihr Vater sei nur 64 geworden und habe deshalb den Ruhestand nicht mehr genießen können. Anstatt zu sagen, wie leid ihm das tue und auf die Frau mitfühlend einzugehen, sprach Steinmeier von den demographischen Entwicklungen in Deutschland und den Belastungen für zukünftige Generationen.
Er musste sich härter anpacken lassen von den Studio-Gästen als Merkel. Seine ansonsten positiv wahrgenommene Unerschütterlichkeit wirkte dabei jedoch, als sei er nüchtern, herzlos. Ein Zuschauer konfrontierte den Kandidaten mit seinem Arbeitsschicksal: Dreimal sei er bereits von einer Firmenpleite betroffen gewesen. Jetzt, sagte der Mann, ist er Zeitarbeiter und hat Angst um seine berufliche Existenz. Steinmeier sagt: „Wir haben den Arbeitsmarkt flexibilisiert.“
Außenminister Steinmeier setzte auch bei innenpolitischen Fragen meist sein Afghanistan-Gesicht auf: Die Lage ist ernst, es geht um Blut, Schweiß und Tränen. Seine Berater hätten ihn häufiger lächeln lassen sollen. Aber er hatte auch deutlich sichtbar stärker mit der Studio-Hitze zu kämpfen als Merkel. Als er von einigen Fragern fast „gegrillt“ wurde, standen die Schweißperlen auf seiner Stirn. Die Stirn glänzte, der Kandidat wirkte dadurch gehetzt. Hatte man bei ihm die Ventilatoren vergessen, die Make-up-Assistentin eingespart?
Als es um die Bildungschancen für Kinder und Jugendliche in Deutschland gehen soll, da wird Steinmeier mal ganz plastisch und konkret. „Ich komme aus einer Familie ohne Klavier und Bibliothek.“ Soll heißen: Ihm wurde im Elternhaus nicht der Aufstieg, die Karriere bereits in die Wiege gelegt.