Ein Format, das bei den Zuschauern durchfiel: Die Bundeskanzlerin ließ sich im Fernsehen von Bürgern befragen. Nur 10,8 Prozent Marktanteil.
Köln/Hamburg. „Wahlarena” heißt das Format. Klingt nach Entscheidung, nach Sport oder Gladiatorenkampf mit wilden Bestien – und in jedem Fall nach viel Publikum. Kein Wunder, dass man sich verwundert die Augen reibt nach dem Auftritt der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der „Wahlarena“ der ARD. War da was? Ja, Bürger durften der Kanzlerin die Fragen stellen, die ihnen auf den Nägeln brennen.
Eine Idee, die – natürlich – aus den USA kommt, wo 1992 ein unbekannter Präsidentschaftskandidat namens William Jefferson Clinton seine Hinterwäldlerkarriere im Bundesstaat Arkansas mit direktem Bürgerkontakt auf neuen Bühnen würzte. Das konnte er nämlich am besten: mit den normalen Leuten sprechen, ohne dass Journalisten dazwischen- und nachfragten. So erfand Clinton die „electronic town hall meetings“, Bürgerversammlungen, die dann abgefilmt und ins Internet gestellt wurden.
Vor der Bundestagswahl 2009 und dem TV-Duell am kommenden Sonntag hat die ARD das neue Format mit Merkel (und SPD-Kandidat Frank-Walter Steinmeier an diesem Dienstag) einfach mal ausprobiert. Doch wirklich Überraschendes oder knisternde Momente zwischen der Regierenden und ihren Regierten kamen nicht zustande. Die smarten ARD-Moderatoren Andreas Cichowicz und Jörg Schönenborn stellten sich zwischen Volk und Kanzlerin und machten das ganz passabel. Aber wie schon bei Merkels Auftritten als Solo-Gast bei Anne Will mögen die Fernsehzuschauer diese Politik- und Selbstdarstellung der Topleute anscheinend nicht. Enttäuschende 2,89 Millionen Zuschauer hatte die „Wahlarena“ nur. Der Markanteil von 10,8 Prozent liegt weit unter ARD-Durchschnitt. Zum Vergleich: Die Tagesschau nur eine Stunde früher hatte doppelt so viele Gucker. Auch die Tagesthemen danach fielen trotz vorgerückter Stunde kaum ab. Und der Marktanteil war sogar deutlich höher.
Merkel bot inhaltlich wie optisch Schwarz-Rotes. Ihre Farbenkombination (roter Blazer, schwarze Hose) mag zufällig aus dem Schrank gefallen sein. Sie schloss im Laufe des Abends eine Weiterführung der Großen Koalition aus Union und SPD nicht aus. „Ich sage, dass ich für eine andere Koalition werbe“, sagte sie. „Wir müssen uns aber irgendwo dem Wählervotum beugen.“ Union und FDP könnten in einem gemeinsamen Bündnis besser die Konjunktur ankurbeln. Aber, wenn die Ergebnisse es nicht anders zulassen, würde sie die ungeliebte Koalition mit der SPD fortsetzen. Das war immerhin ehrlich. Ausgeschlossen hat Merkel eine weitere Erhöhung der Mehrwertsteuer. Das ist für sie tabu.
Sie kündigte an, dass der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung wohl wieder steigen werde – die Wirtschaftskrise. Das belastet dann Arbeitnehmer wie Unternehmer gleichermaßen. Die Bundeskanzlerin hält im Gegenzug eine Anpassung der Freigrenze für 400-Euro-Jobs für denkbar. „Der Gedanke, dass das an die Inflationsrate oder die allgemeine Lohnentwicklung angepasst wird, der ist sinnvoll“, sagte sie. Eine Bürgerin hatte sich bei Merkel beklagt, dass die Freigrenze von 400 Euro nicht verändert werde, obwohl die Lebenshaltungskosten gestiegen seien.
Die Anwältin, der Bauunternehmer – sie alle kamen zu Wort und durften ihre Frage stellen. Doch wirklich nachgehakt wurde nicht. Das können die Bürger auch nicht leisten wie professionelle Moderatoren oder politische Gegner in einer Talkrunde oder im Bundestag. Merkel war bemüht, die Distanz zwischen Kanzlerin und Wahlvolk zu überwinden. Sie berlinerte frei drauflos und gab sich nicht ganz so staatstragend wie sonst. Den Nerv der kleinen Leute traf sie besonders zielsicher, als sie sich empörte, dass Arcandor-Chef Karl-Gerhard Eick nach nur sechs Monaten im Amt 15 Millionen Euro kassiert.