Fast scheint es, als würden sich SPD und Linkspartei Rot-Rot in Thüringen allein schlicht nicht trauen. Jetzt sollen auch noch die Grünen mit an den Verhandlungstisch kommen.
Berlin. Das ist das zentrale Ergebnis des ersten Sondierungsgesprächs, zu dem Freitag Vertreter beider Parteien in Erfurt zusammenkamen. Rein rechnerisch wäre die Beteiligung der im Freistaat auf Links getrimmten Öko-Partei nicht nötig - SPD und Linke vereinen gemeinsam knapp mehr als die Hälfte der Sitze im thüringischen Landtag auf sich. Doch es gehe SPD und Linkspartei um "stabile Mehrheiten für eine etwaige Landesregierung", sagte ein Sprecher der Linken nach dem knapp zweistündigen Treffen.
Die pikanteste aller Fragen wurde von den Verhandlungsführern Bodo Ramelow (Linkspartei) und Christoph Matschie (SPD) aber offenbar ausgeklammert - nämlich, wer in einem etwaigen Bündnis den Ministerpräsidenten stellen darf. Darüber sei nicht gesprochen worden, hieß es.
Bislang ist die SPD nicht bereit, den Anspruch der Linkspartei auf die Staatskanzlei zu akzeptieren, was aber nicht den Gepflogenheiten bei Koalitionsbildungen entspricht. Schließlich hatte die Linkspartei bei der Landtagswahl am vergangenen Sonntag 27,4 Prozent der Stimmen geholt und war damit deutlich vor der SPD (18,5 Prozent) auf dem zweiten Platz nach der CDU (31,2 Prozent) gelandet. Doch SPD-Spitzenkandidat Christoph Matschie hatte überall erklärt, seine Partei werde auf keinen Fall einen Ministerpräsidenten der Linkspartei zum Regierungschef zu wählen.
SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier sagte dem Abendblatt: "Das hat Christoph Matschie vor der Wahl gesagt, und wie ich ihn kenne, wird er sich daran halten." Mit einem raschen Abschluss der Gespräche rechnet Steinmeier demnach nicht: "In Thüringen haben wir eine neue Lage. Der bisherige Ministerpräsident ist zurückgetreten und hat die Konsequenzen aus dem Wahlfiasko der CDU gezogen. Jetzt stehen Sondierungen für mögliche Koalitionen an. Die Verantwortung liegt bei der Thüringer SPD und ihrem Vorsitzenden Christoph Matschie. Das Ergebnis werden wir in ein paar Wochen kennen."
Das erste Treffen zwischen SPD und Linker sei jedenfalls in "offener und aufgeschlossener Atmosphäre" verlaufen, wie es danach hieß. Für nächste Woche wurden drei weitere Termine vereinbart. Die Grünen werden wie gewünscht dazukommen, geben sich bislang aber kratzbürstig: Ein erstes Gespräch unter Demokratinnen und Demokraten müsse man einfach führen, sagte die Landesvorsitzende Astrid Rothe-Beinlich dem MDR. Von einem solchen Treffen erhoffe sie sich auch Antwort "auf die sehr ernst gemeinte Frage, wozu es uns braucht". Die Grünen-Politikerin stellte klar: "Wir machen nicht das fünfte Rad am Wagen." Da die SPD sowohl der CDU als auch der Linken zur Mehrheit verhelfen kann, wird inzwischen erwartet, dass Ramelow seinen Anspruch auf das Ministerpräsidentenamt in den Verhandlungen nicht lange aufrechterhält. Er will Rot-Rot.
Gestern brachte er bereits einen "neutralen" Kandidaten als Regierungschef eines solchen Bündnisses ins Gespräch.