18.000 unzufriedene Deutsche wenden sich pro Jahr ans Parlament. Und es werden immer mehr. 38 Prozent von ihnen hatten Erfolg.
Hamburg. Der Bürger ist nicht immer mit der Arbeit der Bundespolitiker oder den Behörden zufrieden. Um seinen Unmut kund zu tun, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Die einen diskutieren wild am Stammtisch, andere hingegen gehen für ihr Anliegen auf die Straße. Eine elegante Lösung, um sich zu beschweren, ist die Petition. Nach Paragraf 17 des Grundgesetzes das Recht eines jeden Menschen. Einzige Bedingung: Die Beschwerde muss eine Bundesangelegenheit betreffen. Der Nachbarschaftsstreit ist also am Stammtisch besser aufgehoben.
Im vergangenen Jahr habe gut eine halbe Million Menschen in über 18.000 Sammel- und Einzelpetitionen ihr Beschwerderecht wahrgenommen. Damit erreichten, laut dem aktuellen Jahresbericht des Gremiums, so viele Anträge wie nie zuvor den Petitionsausschuss des Bundestages. Alles in schriftlicher Form, ob online als ePetition oder per Post. Ein Antrag erlangte in vergangener Zeit besondere Aufmerksamkeit: Der ePetition gegen das neue Gesetz zu Internetsperren schlossen sich über 134.000 Menschen an. „Es ist ein Mittel, Demokratie mitzuerleben“, sagte die Vorsitzende des Gremiums, Kersten Naumann (Linke).
Dass immer mehr Menschen, 2007 waren es noch 1.800 weniger, zu diesem Demokratieinstrument greifen, ist laut der Ausschussvorsitzenden „eine Medaille mit zwei Seiten.“ Zum einen sei es natürlich gut, dass so viele Menschen wissen, dass sie sich an den Petitionsausschuss wenden können, andererseits bedeute es auch, „dass eine halbe Million Menschen in Deutschland unzufrieden sind.“
Bei 38 Prozent der gut 17.000 bearbeiteten Petitionen konnte den Antragstellern im vergangenen Jahr die Zufriedenheit zurückgegeben werden. Ihre Bitte wurde positiv beschieden. Das passiert folgendermaßen: Ein Antrag wird immer erst an das zuständige Ministerium weitergeleitet. Dort werden die Gesetzesgrundlagen, die der Antrag betrifft, überprüft. Dann gibt das Ministerium dem Petitionsausschuss Bescheid, ob einfach nur ein Behördenfehler vorlag, auf Grund dessen dann die Beschwerde folgte. Zum Beispiel, wenn jemand seine Zuschüsse nicht bekommt, die ihm aber eigentlich zustehen müssten. So ein Problem ist schnell behoben. Bei anderen Petitionen muss das Gesetz geändert werden. Um dafür eine Anhörung im Petitionsausschuss zu erreichen, müssen innerhalb von sechs Wochen 50.000 Unterschriften gesammelt sein. Ist ein Petent einmal nicht einverstanden mit der Entscheidung des Ausschusses, kann er Widerspruch einlegen. Dann befasst sich der Bundestag mit der Beschwerde.
Von den Deutschen seien sich laut Ausschussbericht gut zwei Drittel bewusst, dass sie das Recht zur Beschwerde haben, bei den 16-20jährigen jedoch nur jeder Dritte. Der durchschnittliche Petent sei männlich, etwa 60 Jahre alt, besitze einen höheren Bildungsgrad und einen gehobenen beruflichen Status. Aber der Petitionsausschuss will bekannter werden. Die ePetition, also die elektronische Form der Beschwerde, habe schon viel dazu beigetragen, dass die Menschen ihr Recht wahrnehmen, so Kersten Naumann.
Jede Petition wird bearbeitet. Auch wenn sie in einer Wahlperiode nicht mehr an die Reihe kommt. In der Nächsten nimmt man sich ihr dann an. Dabei kommen den Ausschussmitgliedern auch schon mal kuriose Bitten unter. Kersten Naumann erzählt von einem Antrag auf Änderung der Beamtenvorschrift. Darin soll nach Ansicht des Petenten festgeschrieben werden, dass männliche Beamte lange Haare und Schmuck tragen dürfen. Eine andere Petition verlangte, dass der öffentliche Pranger für Politiker wieder eingeführt wird. Kein Wunder, dass die Damen und Herren im Bundestag sich nicht für diese Idee erwärmen konnten.