Dramatische Zunahme der Fälle. “Seelen und Körper der Kinder werden zerfetzt.“ Jedes dritte Opfer ist jünger als drei.
Berlin. Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) will die Verbreitung von Kinderpornografie im Internet unterbinden. Die Anbieter sollen gesetzlich verpflichtet werden, entsprechende Seiten zu schließen. "Ich will einen Damm bauen gegen die Flut der Bilder, indem wir den Zugang für den Kunden blockieren", kündigte von der Leyen im Exklusiv-Interview mit dem Abendblatt an. "Wir schließen die Datenautobahn der Kinderpornografie."
Der Gesetzgeber müsse jetzt handeln, betonte die Ministerin. Alle Experten seien sich einig, dass die "massenhafte Verbreitung der Bilder im Internet und der einfache Zugang des normalen Kunden" eine immer größere Nachfrage produziere. Wichtig sei es, das Massengeschäft zu zerstören. Der Anbieter soll deswegen gesetzlich verpflichtet werden, die kinderpornografischen Seiten, die das Bundeskriminalamt (BKA) auflistet, "unverzüglich" zu schließen. Damit wird den Kunden der Zugang verwehrt. "Der Kunde klickt an und läuft ins Leere - kein Anschluss unter dieser Nummer", sagte die Ministerin.
Dazu sei eine Änderung des Telemediengesetzes vonnöten. Von der Leyen erwartet eine "hohe Bereitschaft quer über alle Parteigrenzen hinweg", das Gesetz gemeinsam zu verabschieden. Als Vorbild nannte sie die skandinavischen Länder und Großbritannien, die seit Jahren so vorgehen.
Die siebenfache Mutter schilderte dramatische Folgen der zunehmenden Kinderpornografie. "Die Zahlen steigen explosionsartig, allein der Vertrieb von Bildern hat sich verdoppelt im vergangenen Jahr." Jedes dritte Opfer von Kinderpornografie sei jünger als drei Jahre, so die Ministerin. "Da werden durch brutale Vergewaltigungen Kinderseelen und Kinderkörper zerfetzt." Die BKA-Ermittler bräuchten psychologische Begleitung, weil sie die "gellenden Schreie" der Kinder auf den Videos kaum ertragen könnten.
Darüber hinaus forderte von der Leyen eine weltweite Ächtung von Kinderpornografie. "Die bittere Wahrheit ist, dass bisher nur die Hälfte der Länder Kinderpornografie ächtet. Das heißt, die andere Hälfte toleriert sie. Das werden wir bei einer Kinderschutzkonferenz in der kommenden Woche in Rio zum Thema machen." Wichtig sei vor allem, dass "Europa gemeinsam handelt". Von der Leyen: "Die vom BKA erstellten Sperrlisten - derzeit umfassen sie etwa 1000 Websites - könnten noch wirksamer als europäische Sperrlisten laufen."
Die Ministerin rechnet mit "erbittertem Widerstand" einiger Anbieter. "Ich zerstöre da einen lukrativen Markt, der auf dem Rücken zerschundener Kinder aufgebaut ist", sagte sie im Interview.
Von der Leyen kündigte außerdem an, im Januar das Kinderschutzgesetz ins Kabinett einzubringen. Damit soll unter anderem der Datenaustausch unter den Ämtern über vernachlässigte Kinder verbessert werden.