Diese Feststellung hat Brisanz nicht nur wegen des anstehenden Castortransports: Die Bundesanstalt für Geowissenschaften in Hannover hat bei der langjährigen Erkundung des Gorlebener Salzstocks nichts gefunden, was gegen eine Nutzung als weltweit erstes Endlager für hoch radioaktiven Müll spricht.
Hannover. Die Wissenschaftler leugnen nicht, dass seit 2000 für die Erkundung ein Moratorium gilt, das der damalige grüne Bundesumweltminister Jürgen Trittin angeordnet hat. Dennoch stellt der Salzstock Gorleben aus ihrer Sicht "den weltweit am besten untersuchten Standort für ein Endlager radioaktiver Abfälle dar".
Es sei zwischen 1979 und dem Jahr 2000 "mittels umfangreicher geologisch-geophysikalischer Methoden erkundet worden". Das Fazit: Es stehe ein unzerklüfteter und ungestörter Salzstock mit einem "ausreichenden Maß als potentielles Wirtsgestein für die Endlagerung zur Verfügung". Das sehen die Atomkraftgegner im Landkreis Lüchow-Dannenberg ganz anders.
Sie verweisen auf ein unzureichendes Deckgebirge über dem Salzstock und mobilisieren in diesem Jahr besonders eifrig für die Proteste gegen den elften Castortransport, mit dem an diesem Wochenende weitere elf Castorbehälter mit stark strahlenden Abfällen aus deutschen Kernkraftwerken nach Gorleben gebracht werden soll. Heute gab es die erste spektakuläre Protestaktion im Wendland : Schüler stoppten kurzzeitig einen mit Anhängern für den Atomtransport beladenen Zug auf der Schienenstrecke, die von Lüneburg ins Wendland führt.
Diese Anhänger werden gebraucht, weil die Castoren ab der Bahnstation Dannenberg die letzten 19 Kilometer zum Zwischenlager Gorleben auf der Straße rollen müssen. Ihre Anhänger mobilisieren die Atomkraftkritiker auch mit dem Hinweis auf das atomare Versuchsendlager Asse bei Wolfenbüttel. Das ist wie bei den Gorlebener Planungen ein Lager in einem Salzstock, und hier müssen sich die Bergleute mit belasteten Laugen herumschlagen die bei der Erkundung in den 70er-Jahren noch als ausgeschlossen galten.
Zusätzlichen Auftrieb erhoffen sich die Castorgegner im Wendland von der Debatte darüber, ob entgegen dem Atomkonsens aus den Zeiten des Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD) die Atomkraftwerke nun doch länger laufen sollen. Dies könnte helfen, die deutschen Klimaschutzziele zu erreichen. Die Gegner der längeren Laufzeiten argumentieren, es sei unverantwortlich, weiteren hoch radioaktiven Müll anzuhäufen, obwohl es nicht einmal einen Zeitplan gibt dafür, wann in Deutschland ein Endlager in Betrieb gehen könnte.
Klar ist nach dem Endlager-Hearing der Bundesregierung am vergangenen Wochenende dagegen, dass die CDU/CSU/SPD-Koalition entgegen dem 2005 geschlossenen Koalitionsvertrag in dieser Legislaturperiode keine Entscheidung mehr treffen wird. Die Atomkraftgegner haben für die ungeklärte Entsorgungsfrage schon vor Jahren einen griffigen Vergleich gefunden. Die Nutzung der Atomenergie ohne funktionstüchtiges Endlager sei wie die Starterlaubnis für ein Riesenflugzeug, obwohl noch keine ausreichende Landebahn zur Verfügung steht.
Am kommenden Wochenende und mindestens am Montag werden wieder Tausende von Polizisten im Wendland dem Castor einen Weg bahnen müssen ganz unabhängig davon, wie sie zur Nutzung der Kernenergie stehen. Zur Rücknahme der hoch gefährlichen Abfälle aus den Wiederaufarbeitungsanlagen La Hague in Frankreich und Sellafield in Großbritannien ist Deutschland durch verbindliche Verträge verpflichtet. Schließlich handelt es sich ausschließlich um Abfälle aus deutschen Kernkraftwerken.