Der Vorsitzende der Unionsfraktion über Ypsilantis Wortbruch, das geplante Wachstumspaket und das Ringen um die Reform der Erbschaftssteuer. Außerdem: Ein Blick in Kauders Kunstsammlung.
Hamburg/Berlin. Hamburger Abendblatt:
Herr Kauder, in der kommenden Woche will sich Andrea Ypsilanti mit den Stimmen von SPD, Grünen und Linkspartei zur Ministerpräsidentin von Hessen wählen lassen. Was wird dann aus Roland Koch?
Volker Kauder:
Na ja, schauen wir mal, ob es gelingt.
Abendblatt:
Sie hoffen noch, dass Ypsilanti endet wie Heide Simonis?
Kauder:
Es gibt in der SPD in Hessen erhebliche Verwerfungen. Wir haben jetzt keinen Grund, über die Zukunft von Roland Koch zu reden.
Abendblatt:
Sie haben die Herren Müntefering und Steinmeier mehrfach aufgefordert, den hessischen Landesverband zu stoppen. Haben Sie erwartet, dass die SPD auf Sie hört?
Kauder:
Die SPD-Führung ist offenkundig nicht in der Lage, den Wortbruch in Hessen zu verhindern. Das ist problematisch für die Politik insgesamt. Wir alle spüren gerade jetzt, wie wichtig Vertrauen ist. In einer Zeit, in der wir Milliarden-Pakete schnüren, um Vertrauen in den Finanzmärkten wiederherzustellen, ist die SPD in Hessen dabei, Vertrauen zu verspielen.
Abendblatt:
Rot-Grün-Rot in Hessen - ist der Bundestagswahlkampf damit eröffnet?
Kauder:
Wir sind in einer schweren Finanzkrise, die auf die Wirtschaft übergreift. In dieser Situation brauchen wir eine starke, handlungsfähige Regierung, die sich um das Land und um die Sorgen der Menschen kümmert. Deswegen bleibt die Große Koalition jetzt zusammen und macht ihre Arbeit.
Abendblatt:
Verlangt die Finanzmarktkrise gar nach Schwarz-Rot über 2009 hinaus?
Kauder:
Nein, sicher nicht. Union und SPD haben in den vergangenen Wochen gezeigt, dass sie zusammen schnell und entschlossen handeln können. Im Übrigen werden wir die Krise auch überwinden. Aber unabhängig davon bleibe ich dabei: Große Koalitionen sollten die Ausnahme in einer Demokratie sein. Wir streben im kommenden Jahr eine Koalition mit der FDP an.
Abendblatt:
Union und SPD schnüren jetzt ein Konjunkturpaket, das aber nicht so heißen soll ...
Kauder:
... und auch keines ist. Es handelt sich um ein Investitionsprogramm ...
Abendblatt:
... für das die SPD bis zu 25 Milliarden Euro ausgeben will. Woher soll das Geld kommen?
Kauder:
Langsam. Es wurden 20 bis 25 Milliarden in zwei Jahren genannt. Die steuerliche Absetzbarkeit von Krankenversicherungsbeiträgen ab 2010 ist bereits beschlossen. Sie bringt den Bürgern schon einmal neun Milliarden Euro Entlastung. Darüber hinaus können 2009 und 2010 konjunkturelle Anreize in der Größenordnung von maximal fünf Milliarden Euro gesetzt werden. Das sind dann die 20 Milliarden. Ich betone ausdrücklich: Wir dürfen das Ziel, in der nächsten Wahlperiode einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen, nicht aus den Augen verlieren. Auch in der jetzigen Situation müssen wir daran denken, dass die Schulden von heute die Steuern von morgen sind. Ich rate dringend dazu, dass wir nicht alle Grundsätze der Haushaltskonsolidierung über Bord werfen.
Abendblatt:
Wofür wollen Sie die zehn Milliarden ausgeben?
Kauder:
Gut eine Milliarde Euro soll in den Straßenbau fließen, wo wir einen erheblichen Investitionsstau haben. Außerdem bin ich dafür, bereits vorhandene Programme der Kreditanstalt für Wiederaufbau etwas aufzustocken - zum Beispiel für die energetische Gebäudesanierung. Da können wir mit jedem Euro Kredit etwa 8,50 Euro Investitionen anreizen. Und wir müssen etwas für die Autoindustrie tun. Es wäre sinnvoll, die Kraftfahrzeugsteuer in eine CO2-Steuer umzuwandeln und Neuwagen, die eine bestimmte Norm erfüllen, in den ersten drei Jahren komplett von dieser Steuer freizustellen.
Abendblatt:
Der Hamburger Wirtschaftsforscher Straubhaar sagt: Eine CO2-Steuer bringt die Menschen nicht dazu, plötzlich umweltfreundliche Autos zu kaufen.
Kauder:
Ich bin ständig mit Bürgerinnen und Bürgern im Gespräch. Das unterscheidet mich sicher von manchen Experten. In meinem Wahlkreis haben mir eine ganze Reihe von Leuten gesagt, dass sie gerne ein neues Auto kaufen würden. Aber sie warten ab, wie die Debatte über die Kfz-Steuer ausgeht. Daher muss die Politik zu einer schnellen Entscheidung kommen.
Abendblatt:
Die Bürger sagen Ihnen sicher auch, dass die Steuern runter sollen.
Kauder:
Wir wollen in der nächsten Wahlperiode, wenn wir die Spielräume haben, die Menschen steuerlich entlasten. Im Augenblick gibt es diese Spielräume nicht.
Abendblatt:
Können Sie ausschließen, dass zur Finanzierung der Stabilisierungs- und Konjunkturmaßnahmen am Ende die Steuern erhöht werden?
Kauder:
Dafür sehe ich überhaupt keine Notwendigkeit. Zusätzliche Belastungen wären im Übrigen Gift für die Konjunktur. Wir wollen mit diesen Maßnahmen keine neuen Haushaltslöcher reißen, sondern der Konjunktur wieder auf die Beine helfen.
Abendblatt:
Mit der Gesundheitsreform belasten Sie Arbeitgeber und Arbeitnehmer ja schon zusätzlich. Denn der neue, einheitliche Beitragssatz liegt über dem bisherigen Beitragsdurchschnitt ...
Kauder:
In Wirklichkeit gibt es ja keinen Einheitsbeitrag. Versicherungen, die gut wirtschaften, können ihren Versicherten Prämien zurückzahlen.
Abendblatt:
Das Gegenteil wird passieren. Die Kassen kündigen bereits an, dass sie Zusatzbeiträge auf breiter Front erheben werden.
Kauder:
Abwarten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass im Wettbewerb der Krankenkassen flächendeckend Zusatzbeiträge erhoben werden. Es wird Kassen geben, die Beiträge zurückerstatten. Und wir werden sehr genau hinschauen. Das Bundesversicherungsamt muss prüfen, ob die Krankenkassen mögliche Spielräume nutzen. Ich appelliere an die Kassen, ordentlich zu wirtschaften und den Menschen Geld zurückzugeben.
Abendblatt:
Herr Kauder, seit Monaten quält sich die Große Koalition mit der Erbschaftssteuer. Wird das noch was?
Kauder:
Wir haben uns intensiv mit der Erbschaftssteuerreform beschäftigt, und ich bin zuversichtlich, dass wir mit unserem Koalitionspartner zu einer Lösung kommen. Im Wesentlichen sind noch zwei Fragen offen.
Abendblatt:
Nämlich?
Kauder:
Die Union möchte, dass Firmen erbschaftssteuerfrei an die nächste Generation übergeben werden können. Darauf können wir nicht verzichten, wenn wir den Mittelstand stärken wollen. Und wir müssen eine Regelung für das selbst genutzte Eigenheim finden. Es kann nicht sein, dass eine Witwe ihr Haus verlassen muss, weil sie die anfallende Erbschaftssteuer nicht zahlen kann. Beides sind noch schwere Brocken, aber wir müssen eine Lösung finden. Gerade die Länder können auf die vier Milliarden Euro aus der Erbschaftssteuer nicht verzichten.
Abendblatt:
Horst Seehofer ist der neue starke Mann der CSU. Erschwert oder erleichtert das die Arbeit?
Kauder:
Ich kenne Horst Seehofer seit 18 Jahren. Er wird hart verhandeln, aber das große Ganze nicht aus den Augen verlieren.
Abendblatt:
Was hat sich eigentlich in der Großen Koalition verändert, seit Franz Müntefering wieder SPD-Chef ist?
Kauder:
Bis jetzt noch nichts. Im Übrigen glaube ich, dass der Kanzlerkandidat Steinmeier mehr in den Vordergrund treten wird als Müntefering.
Von wem stammen die Gemälde und Skulpturen in Kauders Büro? Informationen unter
www.abendblatt.de/kauder