Der Ökonom Hans-Werner Sinn hat sich in einem offenen Brief an den Zentralrat der Juden in Deutschland für seinen Vergleich von Judenverfolgung und...

München/Berlin. Der Ökonom Hans-Werner Sinn hat sich in einem offenen Brief an den Zentralrat der Juden in Deutschland für seinen Vergleich von Judenverfolgung und aktueller Managerkritik offiziell entschuldigt. Er bitte die jüdische Gemeinde um Entschuldigung und nehme den Vergleich zurück, schrieb der Präsident des Münchner Ifo-Instituts gestern an die Präsidentin des Zentralrats, Charlotte Knobloch. "Ich habe das Schicksal der Juden nach 1933 in keiner Weise mit der heutigen Situation der Manager vergleichen wollen", betonte Sinn. Ein solcher Vergleich sei absurd.

Die Kritik an Sinns Äußerung hielt dennoch an. "Die Diskussion über die Verantwortung von Managern mit der Judenverfolgung zu vergleichen ist geschmacklos", sagte der schleswig-holsteinische SPD-Vorsitzende Ralf Stegner dem Hamburger Abendblatt. "Ob seine Entschuldigung ausreicht, ob er im Amt bleiben kann, sollte nicht die Politik entscheiden. Das ist Sache der Wirtschaft und des Ifo-Instituts selbst." Stegner sagte weiter, für ihn firmiere Sinn "seit Jahren als Professor Unsinn, weil er eine staatliche Kontrolle der Finanzmärkte immer abgelehnt hat und Arbeitnehmerrechte abbauen wollte. Die Finanzmarktkrise hat seinen marktradikalen Ansatz endgültig disqualifiziert." Die Politik sei "gut beraten, das Gegenteil dessen zu tun, was Sinn rät".

Die Zentralratsvorsitzende Charlotte Knobloch erklärte gestern, sie vermisse in Sinns Aussage "die Sensibilität und Authentizität der Vergleiche, vor allem weil in rechtsradikalen Kreisen bereits solche Vorwürfe grassieren". Der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel nannte Sinns Vergleich "historisch und ökonomisch unsinnig". Die evangelische Landesbischöfin in Niedersachsen, Margot Käßmann, nannte den Vergleich "unverantwortlich": "Die Juden waren die Opfer, bei den Banken wird zu Recht nach Verantwortlichen gefragt", sagte Käßmann der "Neuen Presse" (Hannover).

In der Diskussion um die Ursache der weltweiten Finanzkrise hatte Sinn in einem Interview mit dem "Tagesspiegel" gesagt: "In jeder Krise wird nach Schuldigen gesucht, nach Sündenböcken. Auch in der Weltwirtschaftskrise von 1929 wollte niemand an einen anonymen Systemfehler glauben. Damals hat es in Deutschland die Juden getroffen, heute sind es die Manager." In seinem Entschuldigungsschreiben erklärte Sinn nun: "Mir ging es allein darum, Verständnis dafür zu wecken, dass die wirklichen Ursachen weltwirtschaftlicher Krisen Systemfehler sind, die aufgedeckt und beseitigt werden müssen."

Zuvor hatte der Zentralrat der Juden in Deutschland ebenso empört reagiert wie Vertreter von Kirchen und Parteien. Auch die Bundesregierung war gestern deutlich auf Distanz gegangen. Die von Sinn gezogene Parallele sei falsch und "nicht zulässig", sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm in Berlin. Eine Erklärung des Ökonomen halte er deshalb für "angemessen". Auch das Wirtschaftsministerium hatte Sinn aufgefordert, seine "unpassenden" Äußerungen zurückzunehmen. Das Ifo-Institut wird zu einem Großteil aus öffentlichen Geldern finanziert.