Umstellung auf Bachelor/Master sei gescheitert. Bloßes Nachsteuern bringe nichts. Industrieverbände widersprechen.
Hamburg/Bonn. Der renommierte Deutsche Hochschulverband (DHV) drängt auf eine Reform der Bologna-Reformen. "Es ist verantwortungslos, die vielfältigen Probleme, die durch die Umstellung auf Bachelor- und Master-Studiengänge entstanden sind, zu verharmlosen und als 'Kinderkrankheiten' zu deklarieren", sagte der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, Professor Dr. Bernhard Kempen. "Der Bologna-Prozess in Deutschland ist nur noch zu retten, wenn massiv gegengesteuert wird. Mit einem bloßen Nachsteuern ist es nicht getan."
Die Zwischenbilanz der Bologna-Reformen ist nach Auffassung der Experten "ernüchternd". Die Berufsvertretung von 23 000 deutschen Universitätsprofessoren und wissenschaftlichen Mitarbeitern konkret: Die neuen Studiengänge seien so spezialisiert, dass ein Studienortwechsel während des Bachelor-Studiums im In- wie Ausland nahezu unmöglich sei. "Damit wird das Ziel, einen europäischen Hochschulraum zu schaffen, konterkariert", so Kempen. "Bei der Mobilität haben wir kein Plus, sondern ein Minus." Kritikpunkt Nummer zwei: Die Zahl der Studienabbrecher habe sich erhöht und nicht verringert. Während jeder Fünfte das Universitätsstudium nicht zu Ende führe, sei es unter den Bachelor-Studenten jeder Vierte. "So wie bisher kann es nicht weitergehen" betonte Kempen. Nicht der Bachelor, sondern der höherwertige Master müsse den Regelabschluss des universitären Studiums bilden. "Das schließt nicht aus, dass der Bachelor einen ersten berufsqualifizierenden Abschluss darstellen kann."
Eine weitere Forderung des DHV ist, international anerkannte Markennamen wie den "Diplom-Ingenieur" zu retten. Die Ingenieurwissenschaftler forderten zu Recht, den Masterabschluss zugleich als "Diplom" bezeichnen zu dürfen. Dazu sei nur ein Federstrich des Bundesgesetzgebers erforderlich, so Kempen. Von der flächendeckenden Einführung gestufter Studienmodelle in Jura, Medizin und Theologie müsse so lange abgesehen werden, bis die neuen Studiengänge den Nachweis erbracht hätten, den herkömmlichen Studiengängen überlegen zu sein.
Widerspruch äußerte Margret Wintermantel, Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz. Sie sprach sich gegen "pauschale Kritik und immer neue Verunsicherung der Studierenden" aus. Der DHV nenne wichtige Probleme. Aber eine Rolle rückwärts sei kein Beitrag zur Entwicklung des Reformprozesses. Zur Entzerrung der Ausbildung seien sieben- oder achtsemestrige Bachelors zu erwägen. "Die Forderung, den Master zum Regelabschluss zu machen oder mit dem alten Diplom-Abschluss gleichzusetzen, gehört in die Mottenkiste der Geschichte", hieß es auch in einer Erklärung des Arbeitskreises Hochschule/Wirtschaft, in dem unter anderem der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) vertreten sind. Das Gerede über schlechte Arbeitsmarktchancen der Bachelor-Absolventen sei fahrlässig.