Eine Woche vor der Uno-Konferenz zum Naturschutz plädierte Umweltminister Gabriel für schnelles und gemeinsames Handeln der Staaten.
Berlin. Anderthalb Wochen vor der Uno-Naturschutzkonferenz in Bonn hat Bundesumweltminister Sigmar Gabriel angesichts des dramatischen Tier- und Pflanzensterbens einen weltweit besseren Artenschutz gefordert. "Wenn wir jetzt nichts machen, wird es 2050 keine kommerzielle Fischerei mehr geben", sagte der SPD-Politiker gestern im Bundestag. Der Schutz der Artenvielfalt betreffe das Überleben von Milliarden Menschen.
Vom 19. bis zum 30. Mai werden in Bonn rund 5000 Delegierte aus 190 Staaten über Maßnahmen zur weltweiten Erhaltung der biologischen Vielfalt verhandeln. Gabriel betonte, man sei noch weit davon entfernt, das Sterben der Artenvielfalt zu stoppen. Nun müssten substanzielle Fortschritte bis 2010 erzielt werden, oder man zeige, dass es nichts wert sei, "wenn 190 Länder etwas unterschreiben".
"Wenn wir über Artenvielfalt reden, reden wir über das Betriebshandbuch der Erde", sagte Gabriel. Jeden Tag werde eine Seite herausgerissen. Man rede über die Frage, wie die Erde funktioniere. Wirtschaftswachstum müsse mit Artenschutz zusammengebracht werden. Dabei schließen sich Naturschutz und Ökonomie nicht aus: Naturschutzgebiete leisten unter anderem die Versorgung der Menschheit mit Wasser und den Schutz der Böden vor Erosion. Unglücklicherweise würden die ökonomischen Leistungen der Naturschutzgebiete noch immer verkannt, weil diese Gebiete Allgemeingut seien und nicht ökonomisch ausgebeutet würden, sagte der indische Umweltökonom Pavan Sukhdev am Mittwoch auf der Umweltministerkonferenz zum Thema Biodiversität in Mainz. Ihr Wert werde daher nicht unmittelbar in Geld sichtbar. Dennoch sei ein ökonomischer Fortschritt für die Weltbevölkerung nicht denkbar ohne den Erhalt der Biodiversität in den geschützten Räumen. Allein in Indien wären rund 550 Millionen Menschen von Überflutungen bedroht, wenn diese Schutzgebiete vernichtet würden.
Die Abholzung von Wäldern, die Überfischung der Meere und die Verschmutzung der Luft vernichten Zehntausende Arten jährlich. Bedroht sind Ökosysteme auch durch die Einführung neuer, ortsfremder Arten, die alteingesessene Spezies verdrängen. Zudem wird der Klimawandel für Tiere und Pflanzen, die sich nicht an die neuen Temperaturen anpassen können, zur Gefahr. Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) forderte die Bundesregierung auf, den Artenschwund vor der eigenen Haustür zu bekämpfen. Luchs und Rotmilan verdienten den gleichen Schutz wie Nashorn und Tiger. Dabei "sollte man nicht so lange warten, bis eine gefährdete Art schließlich vom Aussterben bedroht ist", sagte die Expertin für Artenschutz des BUND Naturschutz, Heidrun Heidecke, gestern gegenüber dem Abendblatt. In Deutschland sind inzwischen mehr als 7000 Tierarten gefährdet oder vom Aussterben bedroht. Das Gleiche gilt auch für mehr als 5000 Pflanzenarten.&160;