Prozess: Psychisch angeschlagener Politikersohn soll von Waffenlobbyist Schreiber Millionen bekommen und Steuern hinterzogen haben.
Augsburg. Meistens schaut Max Josef Strauß, Sohn des verstorbenen bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß, nach unten. Entweder auf seine gefalteten Hände oder seine Uhr oder einfach auf den Tisch der Anklagebank, auf der er gestern pünktlich um 9.15 Uhr mit unsicheren Bewegungen Platz genommen hat. Zuvor war er demonstrativ von seinem Verteidiger gestützt zur Anklagebank geführt worden.
Nur zu Beginn schaut der 44 Jahre alte massige Mann einmal kurz auf zum Strafkammervorsitzenden Max Hofmeister, der ihn eingangs ganz persönlich anspricht. "Bitte trauen Sie diesem Gericht", sagt Hofmeister und entschuldigt sich fast ein wenig: "Die Justiz muss sich bemühen, alle Bürger ohne Ansehen der Person gleich zu behandeln."
Hofmeister packt den prominenten Angeklagten verbal in allerweichste Watte, weil es um dessen Gesundheitszustand sehr schlecht stehen soll - nicht um den physischen, sondern um den psychischen.
Seit September befindet sich Strauß in stationärer Behandlung der Münchner Universitäts-Nervenklinik. Dorthin kam der Angeklagte nach einem schweren Nervenzusammenbruch. Sein Verteidiger Wolfgang Dingfelder hat ihn an diesem Morgen zum Prozess abgeholt. Man habe seinen Mandanten für die kurze Fahrt nach Augsburg und den Gang zur Anklagebank "fit gespritzt", sagt Dingfelder später am Rande des Prozesses. "Er ist medikamentös so eingestellt, dass er körperlich im Stande ist, sich hierher zu bewegen."
Äußern werde sich Strauß allerdings nicht, bescheidet sein Anwalt den rund 100 Medienvertretern, die sich zum Prozess angemeldet haben und darauf lauern, ein Wort von Max Josef Strauß einzufangen. Der Angeklagte schweigt denn auch konsequent.
Strauß junior, noch bis vor wenigen Monaten Rechtsanwalt in München und stellvertretender Kreisvorsitzender der CSU, muss sich wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe verantworten.
Insgesamt 5,19 Millionen Mark, listet Oberstaatsanwalt Christoph Wiesner bei der Verlesung der Anklage auf, habe Strauß von seinem Spezi, dem Lobbyisten, Flugzeug- und Waffenhändler Karlheinz Schreiber, in den Jahren 1991 bis 1993 als "Provisionen" aus dem Verkauf von Airbus-Flugzeugen nach Kanada und Thailand und von Fuchs-Panzern nach Saudi Arabien erhalten, ohne davon das für ihn zuständige Finanzamt München IV in Kenntnis zu setzen: strafbar als drei selbstständige Taten der Steuerhinterziehung.
Insgesamt soll der damalige Großverdiener Strauß dem Fiskus etwa 2,6 Millionen Mark an Einkommen- und Gewerbesteuer vorenthalten haben.
Doch ein kurzer Prozess wird es nicht, den Vorsitzender Hofmeister in den nächsten Monaten durchziehen muss. Da ist zunächst einmal der psychische Zustand des Angeklagten, über den die Meinungen weit auseinander gehen. Für die behandelnden Ärzte und seinen Verteidiger ist Max Josef Strauß akut selbstmordgefährdet und in einem Zustand "schwer zu beschreibender Verzweiflung", so Verteidiger Dingfelder.
Landgerichtsmediziner Richard Gruber hingegen hält den Angeklagten für verhandlungsfähig. Mit seinen Ausführungen, die von ihm einen Tag nach der Vorlage des Psycho-Gutachtens über Strauß in einer Zeitung zu lesen waren, setzte sich Gruber freilich schwer in die Nesseln. Mit "ungebremster Eitelkeit", so Strauß-Anwalt Dingfelder habe Gruber darin seinen Mandanten quasi als "Simulanten" gekennzeichnet. Dies sei von Strauß als "ungeheuerlich" empfunden worden. Außerdem habe Gruber mit Strauß gerade einmal eine Stunde gesprochen, in dem Zeitungsbericht aber so getan, als habe er sich zweieinhalb Tage mit ihm beschäftigt.
Der Befangenheitsantrag der Verteidigung gegen den Gerichtsmediziner löste bei der Staatsanwaltschaft nicht wie üblich Gegenwehr aus. Die Anklagebehörde stellte vielmehr bewusst keinen Abweisungsantrag, sondern regte an, dem Gerichtsmediziner Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben. Eine Anregung, die das Gericht sofort aufgriff, weshalb der erste Sitzungstag gegen Max Josef Strauß schon nach weniger als drei Stunden beendet war. Erst in einer Woche wird das Gericht entscheiden, ob und wie es weitergeht.
Sollte es zur Beweisaufnahme kommen, wird auch dies ein mühsames Geschäft. Denn Schreiber hat die knapp 5,2 Millionen Mark seinem Freund Max keineswegs auf dessen Konto überwiesen oder - wie im Falle von Ex-CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep - in einem handlichen Koffer übergeben. Vielmehr soll Schreiber für Strauß treuhänderisch das Rubrikkonto PO 18.679.7 unter der Rubrik "Maxwell" beim Schweizerischen Bankverein Zürich unterhalten haben.
Um dieses Konto startete Schreiber schon vor Jahren ein Verwirrspiel, das in der unbewiesenen und bestrittenen Behauptung gipfelte, das Geld sei als Parteispende für die CSU gedacht gewesen. Mit 30 000 Aktenseiten und 23 Zeugen will die Staatsanwaltschaft ihre Darstellung beweisen.
Außerdem sind die wichtigsten Zeugen auch die schwierigsten: Schreiber selbst, der allein von Airbus Industrie für die Vermittlung von Flugzeugverkäufen mehr als 36 Millionen Mark kassiert haben soll, entzieht sich der Strafverfolgung seit Jahren durch Ausharren in seinem kanadischen Exil. Ob ihn die Strafkammer dort hört, ist noch offen. Sein früherer Treuhänder Giorgio Pelossi traut sich nicht, zur Zeugenaussage nach Deutschland zu kommen, will aber in der Schweiz aussagen. Als Vernehmungsorte zur Wahl stehen Zürich und Lugano. "Wir würden Lugano bevorzugen", sagt Verteidiger Dingfelder. Und zum ersten Mal huscht ein Lächeln über das breite Gesicht des Max Josef Strauß.