CDU-Chefin zählt auf General Motors. Ministerpräsident Roland Koch nennt Opel “Teil unserer Lebensader“. Bilder von den Opelwerken.

Rüsselsheim. Vor einem Jahr, als die Wirtschaftswelt noch anders aussah, war dieser Besuch verabredet worden. Hätte Angela Merkel damals geahnt, was sie erwarten würde, hätte sie vielleicht doch lieber abgesagt. Nun aber konnte sich die Bundeskanzlerin vor dem heiklen Auftritt nicht drücken. "Es wäre ziemlich feige gewesen, wenn ich nicht gekommen wäre", gab sie gegenüber den 3000 Opelanern in der fußballfeldgroßen Werkshalle freimütig zu.

Merkel wusste sehr wohl vorher, dass sie ohne ein Rettungsversprechen ins Rüsselsheimer Stammwerk des deutschen Autobauers kommen musste. Jetzt erst recht, da US-Präsident Barack Obama dem Opel-Mutterkonzern General Motors gerade eine erneute 60-Tage-Galgenfrist für ein überzeugendes Rettungskonzeptbewilligt hat. Am Ende gelang es der Bundeskanzlerin trotzdem, der Belegschaft Mut zu machen.

Über ihre Rede war tagelang zuvor spekuliert worden. Welches Signal würde Merkel senden, welche Haltung die Bundesregierung nun endlich einnehmen? Die Erwartungshaltung in Rüsselsheim war immens. Was man mit Banken kann, sollte man erst recht mit Autobauern tun: teilverstaatlichen. So der Tenor der hessischen Autobauer. Hatte doch ausgerechnet Merkels Stellvertreter, Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), noch am Montag in der SPD-Führung ein solches Konzept zur Rettung von Opel vorgelegt, in dem er sich eindeutig für staatliche Beteiligungen aussprach. Auch Opels Gesamtbetriebsrats-Vorsitzender Klaus Franz forderte im Beisein der Kanzlerin "eine direkte staatliche Beteiligung". Aber in diesem Punkt machte Merkel ein für alle Mal klar: mit ihr nicht. Was sie nicht sagte: Eine solche Zusage hätte sie gegenüber ihrer Partei zum jetzigen Zeitpunkt kaum vermitteln können.

Mit leeren Händen wollte Merkel dennoch nicht vor die Beschäftigten treten: Natürlich gebe es eine staatliche Unterstützung, "als Brückenbauer" bei der Suche nach einem Investor etwa, vielleicht auch mit einer Bürgschaft. Dass Opel Chefsache ist, daran ließ Merkel keinen Zweifel. Ein Verhandlungsteam mit Vertretern von Bund, Ländern, Investmentbankern und Wirtschaftsfachleuten kündigte die Bundeskanzlerin an, um "auf Augenhöhe" mit den USA zu sprechen. Aber Merkel stellte genauso klar, dass General Motors ein Teil von Opel bleiben werde und auch seinen Beitrag dafür leisten müsse. "Wir brauchen General Motors", aber General Motors brauche auch Opel, so die Kanzlerin. Klare Worte, die die Opelaner vermutlich nicht gern hörten, aber doch mit Applaus honorierten. Mit falschen Versprechen wollten sie schließlich auch nicht vertröstet werden.

"Wir haben eine Chance." Mehr wollte die Bundeskanzlerin zum Schluss ihrer Rede nicht an Hoffnung vermitteln. Und doch hatte Merkels Besuch für die Opelaner mehr Bedeutung als alle Durchhalteparolen und Rettungsvorschläge, die es aus dem fernen Berlin zuvor gegeben hatte. Merkel war gekommen, weil sie sehen wollte, was Opel für Rüsselsheim bedeutet. Sie wollte sehen, wie innovativ und effizient der angeschlagene Autobauer handelt und welche Ideen dessen Zukunftslabor entwickelt. Und sie wollte vor allem sehen, wer hinter der Traditionsmarke steht. Der Wunsch wurde ihr erfüllt: Bei ihrer Rede saßen schließlich Tausende gefährdete Arbeitsplätze vor ihr. Bevor sie sprach, sang der Kinderchor der Opelaner: "Der Blitz, der gibt euch Kraft, damit ihr Opels Wunder schafft." Selbst Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU), normalerweise nicht bekannt für große Emotionen in der Öffentlichkeit, sprach davon, dass Opel "Teil unserer Lebensader" ist. "Wir wollen dieses Unternehmen nicht verlieren", sagte er und versprach, selbst alles zu tun, um einen Investor zu finden.

Doch die entscheidenden Worte für die Belegschaft waren schlussendlich die der Kanzlerin. "Sie hat ihre Unterstützung zugesagt", betonte Kai Rudolph. Der 43-Jährige arbeitet in der Qualitätsentwicklung von Opel. Merkel könne den Autobauer nicht hängen lassen, meinte er. "Wir sind systemrelevant. Wir sind nämlich deutsche Bürger, wir sind Steuerzahler, und wir sind Wähler." Bernd Winterhoff (52), seit 25 Jahren Ingenieur bei Opel, ist da vorsichtiger. "Sie ist halt Politikerin", sagte er. "Ich habe eine positive Tendenz herausgehört." Aber er hatte beim Auftritt der Kanzlerin auch noch ein wichtiges weiteres Detail gehört: "Am Ende hängt alles von General Motors ab."