Es gibt Parolen, die geeignet sind, Gesellschaften in Aufruhr zu versetzen. “Wir zahlen nicht für eure Krise“ ist eine solche...

Es gibt Parolen, die geeignet sind, Gesellschaften in Aufruhr zu versetzen. "Wir zahlen nicht für eure Krise" ist eine solche Parole.

Was sich Globalisierungskritiker und Gewerkschafter auf die Fahnen schreiben, hat in Berlin und Frankfurt Zehntausende mobilisiert. Die Proteste am Wochenende verliefen - anders als zuvor in anderen europäischen Ländern - weitgehend gewaltfrei. Aber es gibt keine Sicherheit, dass dies so bleibt. Die Parole suggeriert, dass die Bewältigung der Krise keine Gemeinschaftsanstrengung bedeute. Dass die Stabilisierung der Finanzmärkte ein Dienst allein an Bankern sei. Dass es Zeit werde, sich dagegen aufzulehnen.

Die Erkenntnis über den Tod des reinen Kapitalismus haben die Demonstrierenden nicht allein. Selbst Spitzenvertreter der Wirtschaft räumen inzwischen freimütig ein, dass die ungezügelten Kräfte des Marktes ins Verderben führen. Entscheidend ist nun, nach ersten Notmaßnahmen - die tatsächlich das Geld der Steuerzahler erfordern - einer modifizierten Marktwirtschaft zum Erfolg zu verhelfen. Industrie- und Schwellenländer sind in der Verantwortung, auf dem Weltfinanzgipfel in dieser Woche die Weichen entsprechend zu stellen: Für eine strikte Reglementierung des Finanzsystems, die Richtlinien zur Entlohnung der Akteure einschließt. Für ein System, das Gier zügelt und Anstand befördert; das auf Glaubwürdigkeit beruht. Anders als in Berlin und Frankfurt fanden die Protestierenden in London eine Parole, die dazu passt: "Setzt die Menschen an erste Stelle."

Verfestigt sich der Eindruck, die Eliten beschränkten sich auf Ankündigungen, um weiterzumachen wie bisher, kann es auch im Zentrum Europas unruhig werden. Die Instrumente, um einen Staat zu entflammen, liegen bereit.