Angesichts des eskalierenden Streits in der Großen Koalition hat die FDP eine vorgezogene Bundestagswahl gefordert. FDP-Chef Guido Westerwelle...

Hamburg/Berlin. Angesichts des eskalierenden Streits in der Großen Koalition hat die FDP eine vorgezogene Bundestagswahl gefordert. FDP-Chef Guido Westerwelle schlug vor, die Abstimmung vom 27. September auf den Termin der Europawahl am 7. Juni vorzuverlegen. "Einen solchen Koalitionsdauerstreit bis Ende September kann Deutschland in dieser schweren Wirtschaftskrise nicht gebrauchen", sagte Westerwelle dem Hamburger Abendblatt. "Wenn die Koalition nicht wieder zur sachlichen Arbeit zurückkehren will, soll sie den Weg frei machen. Dann wird eben am Tag der Europawahl auch der Deutsche Bundestag neu gewählt."

CSU-Chef Horst Seehofer hatte den Sozialdemokraten zuvor "reine Pöbelei" vorgeworfen und ihnen einen Ausstieg aus der Koalition nahe gelegt. "Wenn es der SPD nicht mehr gefällt in der Großen Koalition, soll es an der CSU nicht liegen, wenn sie aussteigen will", sagte er auf einer Parteiveranstaltung in Erlangen. SPD-Chef Franz Müntefering lehnte dies ab. "Wir werden ihn quälen, solange wir können - bis zum letzten Tag der Legislaturperiode", sagte Müntefering gestern beim Parteitag der schleswig-holsteinischen SPD in Elmshorn an die Adresse Seehofers. Der SPD-Vorsitzende warf der CSU vor, "auf Krawall getrimmt" zu sein. "Herr Seehofer sagt jeden Tag etwas anderes. Die Union ist desorientiert, da versammelt sich keine Fahne hinter der anderen." Großen Anteil habe auch Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Münteferings Vorgänger, der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck, griff Merkel frontal an. Ihr Handeln in der Krise sei "besorgniserregend schwach", sagte Beck dem Abendblatt. Wenn man sehe, welche Führungsimpulse in Europa vom französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy ausgingen, dann sei das, was die Kanzlerin biete, "ziemlich bescheiden".

Westerwelle kritisierte speziell den Streit zwischen Union und SPD um den angeschlagenen Autobauer Opel. "Der Wahlkampf innerhalb der Koalition auf dem Rücken der Sorgen der Opel-Mitarbeiter ist schlichtweg unanständig", sagte der FDP-Chef. "Union und SPD denken in ihrem Streit weder an Opel noch an deutsche Arbeitsplätze, sondern nur an ihre Wahlchancen." Opel einen Blanko-Scheck auszustellen liege weder im Interesse der Steuerzahler noch im Interesse der Opel-Mitarbeiter, denn damit werde der Druck vom amerikanischen Mutterkonzern genommen, Opel in eine eigenständige europäische Zukunft zu entlassen, so Westerwelle.

Während Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) für einen Staatseinstieg im Notfall plädiert, erteilte Unionsfraktionschef Volker Kauder einer solchen Beteiligung eine strikte Absage. "Opel sterben zu lassen wäre mehr als ein Fehler, es wäre ein unentschuldbares Regierungsversagen", sagte Scholz der "Bild am Sonntag". Kauder lehnte jede Sonderbehandlung für Opel ab und sagte der "Leipziger Volkszeitung": "Für alle Unternehmen im Land muss es die gleichen Regelungen geben. Keine Sonderbehandlung für niemand."

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) warf SPD-Kanzlerkandidat und Außenminister Frank-Walter Steinmeier vor, den Arbeitnehmern etwa von Opel vorzugaukeln, der Staat könne ihre Probleme lösen. "Diese Art von Täuschung und Unzuverlässigkeit ist nicht die Politik der Union", sagte Schäuble dem "Spiegel". Umgekehrt hielt Steinmeier der Union vor, sie trage "Tohuwabohu und Unruhe" in die Arbeit der Bundesregierung.

Für vorgezogene Neuwahlen müsste der Bundespräsident den Bundestag auflösen. Voraussetzung wäre, dass Kanzlerin Merkel die Vertrauensfrage stellt und keine Mehrheit bekommt. Auf diesem Wege hatte der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder 2005 Neuwahlen herbeigeführt.