Bildungsministerin Schavan spricht von Meilenstein. Wirtschaftsweiser Wiegard nennt das Paket wirkungslos.
Berlin/Hamburg. Obwohl das Verhandlungsergebnis bereits bis in die Details bekannt war, herrschte enormer Andrang im Saal der Bundespressekonferenz. Wer noch auf Dissonanzen zwischen den Protagonisten auf dem Podium gehofft hatte, wurde enttäuscht.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU), SPD-Spitzenkandidat Frank-Walter Steinmeier und CSU-Chef Horst Seehofer vertrugen sich auf nahezu penetrante Weise. Nachdem sie in der Nacht im Koalitionsausschuss das zweite Konjunkturpaket geschnürt hatten, ging das Trio fast schon einschläfernd milde miteinander um. Die Koalition tue in diesen schwierigen Zeiten nur ihre Pflicht, erklärte Angela Merkel im Kanzler-Ton.
Bei so viel Eintracht schienen die Spitzen der Koalition die Kakofonie der vergangenen Wochen vergessen zu haben: Seit der Adventszeit hatten sich Union und SPD mit Ideen und Forderungen überboten, wie man die Konjunktur ankurbeln und gleichzeitig die Bürger entlasten könne. Verlangte der eine Steuersenkungen, konterte der andere mit Abwrackprämien für Altwagen. Weil keiner nachgeben wollte, findet sich in dem als "geschlossenes Konzept" (Merkel) und "kluger Mix" (Seehofer) verkauften Maßnahmepaket jetzt alles wieder: die Anhebung des Grundfreibetrags, die Absenkung des Eingangssteuersatzes und der Krankenkassenbeiträge, der Kinderbonus, die Anhebung des Hartz-IV-Regelsatzes für Sechs- bis Dreizehnjährige, die Abwrackprämie. Streiten musste man sich am Montagabend - bei Kasseler mit Sauerkraut - offenbar nicht mehr lange. Die Gesprächsrunde sei "sehr sachorientiert" und "hoch professionell" gewesen, sagte Seehofer.
Zustimmung ernteten die Koalitionsspitzen aus der Wirtschaft. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt sagte dem Hamburger Abendblatt: "Mit dem beschlossenen Konjunkturpaket werden sowohl Investitionen in Bildung und Infrastruktur gestärkt als auch die Abgaben- und Steuerlast gemildert." Die Absenkung der Sozialbeiträge unter 40 Prozent sei ein wichtiges Ergebnis, "weil dadurch die Arbeitgeber entlastet werden und den Arbeitnehmern mehr Netto vom Brutto bleibt". Als positiv hob Hundt auch hervor, dass die Arbeitgeber nicht mehr den gesamten Sozialbeitrag für das Kurzarbeitergeld zahlen müssen.
Allerdings sei die zwingende Verknüpfung der vollständigen Beitragsbefreiung mit Weiterbildung "verfehlt, weil dadurch Anreize für unsinnige Qualifizierungsmaßnahmen geschaffen werden", sagte Hundt weiter. "Wenn die Arbeitgeber vollständig von den Sozialversicherungsbeiträgen befreit werden sollen, darf dies nicht an eine solche Bedingung geknüpft werden", so Hundt.
Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) zeigte sich erfreut über die Beschlüsse. Große Teile der Investitionen werden in ihren Verantwortungsbereich fallen. "Das Konjunkturpaket ist ein Meilenstein auf dem Weg zur Bildungsrepublik Deutschland", sagte sie dem Abendblatt. "Es wird einen enormen Schub für das gesamte Bildungswesen entfachen. 8,66 Milliarden in zwei Jahren ist das größte Investitionsprogramm in Bildung, das es je in Deutschland gab." Ursprünglich hatte Schavan 15 Milliarden Euro für Bildung gefordert.
Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) nannte das Paket "sozial ausgewogen", insbesondere die Beschlüsse für Familien und Kinder, "weil sie nicht nur der Gerechtigkeit dienen, sondern auch unmittelbar Anreize für den Konsum bedeuten und damit konjunkturfördernd sind".
Dagegen rügte der Steuerexperte im Sachverständigenrat der Bundesregierung, Wolfgang Wiegard, die Beschlüsse. "Die Tarifkorrekturen und die Erhöhung des Grundfreibetrags haben in Bezug auf Investitionen und Konsum keinerlei Wirkung", sagte er der "Rheinischen Post". Die Erhöhung des Grundfreibetrags sei teuer, "bringt dem einzelnen Steuerzahler aber nur wenige Euro pro Monat".