Spricht Angela Merkel beim “Einheits“-Kongress ein Machtwort? Fraktionschef Volker Kauder wirft Kritikern “Illoyalität“ vor.
Berlin. Eigentlich sollte es nur einer von diesen ganz normalen Terminen werden, mit denen die CDU sich als "Partei der Einheit" für den Wahlkampf warm laufen will. Doch wenn die Bundeskanzlerin heute Nachmittag im Adenauer-Haus auf dem seit Langem geplanten CDU-Kongress zum 20. Jahrestag des Mauerfalls spricht, dann steht sie unter besonderer Beobachtung. Mit Spannung wird im politischen Berlin erwartet, ob die parteiintern unter Druck geratene Vorsitzende die Gelegenheit nutzt, um ein klärendes Wort zu sprechen. Nötig wäre es, heißt es in Unionskreisen. Die Debatte über das Profil der Partei hat die CDU aufgewühlt. Der Wirtschaftsflügel und einige eher konservative Politiker werfen der Kanzlerin vor, sich in der Großen Koalition zu weit von ihren programmatischen Inhalten entfernt zu haben. Bislang hat die Vorsitzende zu der Auseinandersetzung, die sich vor dem Hintergrund schwacher Umfrageergebnisse von nur noch 32 Prozent abspielt, geschwiegen.
Das haben gestern - nach einem verlängerten Wochenende immer neuer Störfeuer - erstmals auch ihre Kritiker. Zur Ruhe im Karton beigetragen haben dürfte dabei wohl in erster Linie Merkels Vertrauter, Fraktionschef Volker Kauder. Er hatte sich im "ZDF-Morgenmagazin" demonstrativ vor Merkel gestellt und ihren Kritikern vorgeworfen, ihre Vorbehalte nicht intern vorgebracht zu haben. "Wenn man berechtigten Grund hat, darf man jeden kritisieren." Das müsse aber "nicht unbedingt öffentlich geschehen". "Es gibt Telefone und Handys, bei Kritikpunkten kann man anrufen und das besprechen."
Der niedersächsische CDU-Landeschef David McAllister pflichtete Kauder bei. Er sagte: "Wir sind kanzlertreu." Und fügte hinzu: "Es wäre hilfreich, wenn sich mancher etwas zurücknehmen würde."
Einen aber trieben solcherlei Mahnungen gestern nicht um - den Querdenker und früheren CDU-Generalsekretär Heiner Geißler. Er goss via "Leipziger Volkszeitung" lieber neues Öl ins Feuer. Die Besonderheit: Geißler machte nicht Merkel, sondern Ronald Pofalla als Schuldigen der Profilverwässerung aus. Merkel könne als Kanzlerin jetzt nicht die Uniform der angreifenden Parteichefin anziehen, wie Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) von ihr im Abendblatt gefordert hatte, "womöglich noch mit Stahlhelm". Es sei vielmehr die Aufgabe des Generalsekretärs, das Profil der Partei in so einer Konstellation herauszuarbeiten, so Geißler.
Die Kurskritiker könnten sich allerdings durch eine neue Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid bestätigt fühlen. Demnach gaben 19 Prozent der enttäuschten Unionswähler an, bei der Bundestagswahl am 27. September zu Hause bleiben zu wollen. 14 Prozent beabsichtigen, ihr Kreuz bei der FDP zu machen. Und drei Prozent wollen der SPD den Vorzug geben. Vor allem die Angst vor einer Wahlenthaltung von Stammwählern der Union hatte die Kritik am Kurs der Kanzlerin in den vergangenen Tagen befeuert.