Viel debattiert, wenig erreicht: Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) setzt auf baldige Nachbesserungen.
Berlin. Gute Stimmung ist etwas anderes: "Ordentlich" sei die Atmosphäre im Koalitionsausschuss gewesen. Man kenne einander, keiner spiele Theater, so das Urteil von Teilnehmern. Sechseinhalb Stunden saßen Vertreter von Union und SPD im Kanzleramt unter Leitung von Angela Merkel (CDU) zusammen, ohne bahnbrechende Ergebnisse zu erzielen. Entsprechend urteilte CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer gestern, das seien mit die "zähesten Verhandlungen" gewesen, die er in den dreieinhalb Jahren der schwarz-roten Bundesregierung erlebt habe: "Das Ende der Koalition wirft seine Schatten voraus. Je näher wir zum 27. September kommen, je länger werden die Schatten." Da half es auch nicht, dass SPD-Chef Franz Müntefering später gegenüber der "Leipziger Volkszeitung" betonte, die Koalition habe sich als "handlungsfähig" erwiesen.
Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) sagte: "Diese Koalition ist gut beraten, so lange wie möglich professionell zu arbeiten und keine Wirtshausschlägerei anzufangen." Irgendwann komme dann der Zeitpunkt für einen "heftigen demokratischen Wettbewerb". Auch der sozialdemokratische Fraktionschef Peter Struck erinnerte daran, dass vor der Wahl "einige Punkte noch zu klären" seien.
In der nächtlichen Sitzung gab es nur eine Einigung auf schärfere Regeln für Managergehälter. Bundesarbeitsminister Olaf Scholz gab sich gegenüber dem Hamburger Abendblatt dennoch zufrieden: "Fakt ist: Es wird zu neuen Regeln für Vorstandsvergütungen kommen. Das ist die erste gute Nachricht. Die zweite lautet: Wir werden in der Koalition noch weiterdiskutieren über zusätzlich Regelungen, die wir Sozialdemokraten vorschlagen." Die SPD fordert, dass Vorstandsvergütungen und Abfindungen oberhalb einer bestimmten Größenordnung nicht mehr als Betriebskosten abgesetzt werden können. "Wir sagen: Die Grenze muss spätestens bei einer Million Euro gezogen werden. Die Union will das nicht, hat aber Bereitschaft signalisiert, noch einmal über das Thema nachzudenken. Das lässt hoffen."
Weniger hoffnungsfroh ist der Minister mit Blick auf die Reform der Jobcenter, bei denen die Mischverwaltung von Bund, Ländern und Kommunen geklärt werden soll: "Die Situation ist bizarr. Eigentlich gibt es nur wenige, die die von den Ministerpräsidenten Beck und Rüttgers zusammen mit mir ausgearbeitete Lösung nicht wollen. Aber die CDU-Fraktion kann sich nicht durchringen, zuzustimmen und so die notwendige verfassungsändernde Mehrheit zur Verfügung zu stellen." Scholz urteilt: "Das kann ich nicht nachvollziehen. In so einer komplizierten Angelegenheit zu versuchen, Maximalforderungen durchzusetzen, ist Unfug."
Dass überhaupt noch Maximalziele angestrebt werden, bezweifelt die Opposition. Gregor Gysi, Fraktionschef der Linken, sagte: "Das grenzt schon an Arbeitsverweigerung. Die Regierung Merkel und Steinmeier hat nicht nur keine Antworten auf die Krise, sie sucht sie nicht einmal mehr."
Wie unzufrieden die Koalitionäre selbst sind, zeigte sich wieder einmal an der CSU. Dort wurde Kritik an der Bundeskanzlerin laut, der die Schuld an den schlechten Umfragewerten gegeben wurde. "32 Prozent für die Union heißt bundesweit 25 bis 26 Prozent für die CDU", sagte der CSU-Spitzenkandidat für die Europawahl, Markus Ferber, der "Augsburger Allgemeinen". "Vor allem Stammwähler wie Landwirte, Mittelstand, Rechtskonservative bekommen derzeit von der Bundeskanzlerin keine verlässlichen Antworten." CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sagte: "Die Union kann sich mit solchen Werten auf keinen Fall zufrieden geben."