Der Stellvertreter von Barack Obama soll “den richtigen Ton“ mit den europäischen Verbündeten finden.
Hamburg. Joe Biden liebt die große politische Bühne. Deshalb wird der neue, ebenso scharfzüngige wie sendungsbewusste US-Vizepräsident sicher gern nach München kommen: Auf der Münchner Sicherheitskonferenz soll er vor hochkarätigem Publikum den angekündigten Kurswechsel in der US-Außen- und Sicherheitspolitik präsentieren, den neuen Willen zu mehr Kooperation und Diplomatie betonen.
Zu den rund 300 Teilnehmern gehören zahlreiche Staats- und Regierungschefs, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy. Russland schickte Vize-Regierungschef Sergej Iwanow, aus dem Iran reiste Parlamentspräsident Ali Laridschani an. Erstmals wird die Konferenz von dem früheren Diplomaten Wolfgang Ischinger geleitet.
Schon Bidens Entsendung ist ein Signal: Bisher schickten die USA ihren Verteidigungsminister als ranghöchsten Politiker nach München. Nun kommt gar die Nummer zwei der USA, begleitet von Top-Beamten: Obamas Sicherheitsberater James Jones, dem Sonderbeauftragten für Afghanistan, Richard Holbrooke, sowie Spitzenmilitärs wie General David Petraeus.
In seiner Rede am Sonnabend soll Biden einerseits die unter Bush beschädigten Bindungen zu Europa reparieren und "jetzt den richtigen Ton zwischen dieser Administration und den Europäern anschlagen", sagte Sam Brannen vom Center for Strategic and International Studies der "Washington Post". Andererseits wird Biden den Verbündeten keinen Honig um den Bart schmieren. Er werde die Botschaft überbringen, "dass wir von ihnen erwarten, die Lasten mitzutragen. Nicht nur als Nato in Afghanistan, sondern auch bei allen anderen Problemen - Iran, Russland, Irak, Nahost, Wirtschaft und so weiter", kündigte ein US-Regierungsbeamter an. Biden wolle darüber in München mit Merkel und Sarkozy sprechen. Konferenzleiter Ischinger erwartet, dass die neue US-Führung in der Afghanistan-Politik Impulse gibt. Dabei gehe es nicht nur um Soldaten-Zahlen, sondern auch darum, ob der gewählte militärisch-politische Ansatz grundsätzlich richtig sei.
US-Diplomaten rechnen damit, dass Biden vor allem gegenüber Russland moderate Töne anschlagen wird, um eine Verständigung über Streitpunkte wie US-Raketenabwehrschirm oder Nato-Erweiterung zu erleichtern. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier äußerte die Hoffnung, dass "alle Seiten auch in der Frage des geplanten US-Raketenabwehrschirms in Osteuropa noch einmal aufeinander zugehen", schrieb er in der "Süddeutschen Zeitung".
Ein Sprecher des Weißen Hauses wies jedoch Spekulationen zurück, Biden könne in Sachen Raketenabwehr bereits einen Rückzieher ankündigen. Auf die Frage, ob Bidens Rede bereits eine "Entspannung" mit Russland einleite, sagte er: "Wir wollen mit Russland arbeiten und werden sehen, ob wir auf den richtigen Weg gelangen."