Ministerpräsidenten Günther Oettinger und Peter Müller warnen vor Vernachlässigung der Stammwähler und fordern mehr Profil.
Hamburg. Der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) hat mit seiner Forderung nach einem Kurswechsel der Union eine innerparteiliche Debatte um die richtige Strategie ausgelöst. Der Generalsekretär des größten CDU-Landesverbandes Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst, sagte dem Hamburger Abendblatt: "Die Union wäre gut beraten, sich von dem Wahlausgang in Hessen nicht nervös machen zu lassen. Letzte Umfragen zeigen, dass das Potenzial der FDP im Bund begrenzter ist, als die Liberalen es gerade wahrhaben wollen. Wenn die Union es schafft, weiterhin wirtschaftliche Kompetenz und soziale Gerechtigkeit als zwei Seiten einer Medaille erkennbar werden zu lassen, dann brauchen wir uns um Konkurrenz durch die FDP keine Sorgen zu machen", so Wüst.
Oettinger hatte in einem Interview des Abendblatts das mäßige Abschneiden der CDU bei der Hessen-Wahl als Zeichen interpretiert, "dass die Union ihr wirtschaftliches Profil schärfen muss", und gefordert, "dass die Union in der Großen Koalition keinerlei Entscheidungen mehr trifft, die in der Stammwählerschaft von CDU und CSU zu Irritationen führen."
Auch Saarlands Ministerpräsident Peter Müller (CDU) trat für eine Profilierung seiner Partei außerhalb der Großen Koalition ein. "Man kann auch in der Großen Koalition deutlich machen, wo außerhalb der Regierungspolitik die originären Positionen der Union liegen. Das ist uns nicht ausreichend gelungen", sagte er dem "Spiegel". CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla kündigte eine gemeinsame Koalitionsaussage von CDU und CSU zugunsten der FDP an. Diese solle im gemeinsamen Wahlprogramm der beiden Unionsparteien verankert werden, so Pofalla zur "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".
FDP-Chef Guido Westerwelle zeigte sich indes enttäuscht von der Kanzlerin und CDU-Vorsitzenden Angela Merkel. "Politisch bin ich von der Regierung enttäuscht - also auch von der Regierungschefin", sagt er der "Bild am Sonntag". Westerwelle kritisierte zudem den Kurs der Union beim Thema Mindestlohn. "In der Union sind mir viele nicht genügend bereit, gegen das Falsche zu kämpfen." Äußerungen von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU), wonach für eine Steuerreform mit Steuersenkung kein Geld mehr da sei, interpretierte Westerwelle als "Koalitionsaussage zugunsten der SPD und inhaltlich eine Koalitionsabsage an die FDP": "Die Union soll sich nicht wundern, dass sie weiter bei Wahlen verliert, wenn sie die bürgerliche Mitte so im Stich lässt." Steuersenkungen seien für ihn nicht verhandelbar. Wüst entgegnete: "Es wäre zu begrüßen, wenn Herr Westerwelle gelegentlich erklärt, wie weniger Steuern und gleichzeitig weniger Schulden in diesen schwierigen Zeiten mit zwei millionenschweren Konjunkturpaketen realisiert werden sollen. Auch die CDU hat nichts gegen Steuersenkungen. Aber als große Volkspartei sind wir in der Pflicht, nur das Machbare zu versprechen."