Verband: Zehntausende Hamburger sind betroffen. Keine Mietminderung mehr bei Sanierung. Deutscher Mieterbund will mehr Fördermittel.
Berlin/Hamburg. Die Mieter in Deutschland sollen sich nicht mehr gegen eine energiesparende Sanierung ihrer Wohnung sperren können. Während der Bauarbeiten mit Lärm und Staub darf die Miete in den ersten drei Monaten künftig nicht mehr gemindert werden. Das sieht eine Mietrechtsreform vor, die gestern vom Bundeskabinett beschlossen wurde.
Die Regierung will den Energieverbrauch in Gebäuden erheblich senken, damit die Klimaschutzziele erreicht werden können. Die Kosten für die energetische Sanierung sollen weiterhin mit maximal elf Prozent im Jahr auf die Miete umgelegt werden können, teilte das Bundesjustizministerium mit. Wenn sich Mieter auf eine unzumutbare wirtschaftliche Härte berufen, soll dies den Beginn einer Modernisierung nicht mehr von vornherein aufhalten.
Eckard Pahlke, Vorstandsvorsitzender des Mietervereins zu Hamburg, nannte die Entscheidung "völligen Unsinn". Mit dem Verbot der Mietminderung würden die Rechte der Mieter weiter beschnitten. Zehntausende Hamburger Mieter seien in den nächsten Jahren von dem Beschluss betroffen. Pahlke: "Es darf nicht sein, dass die Vermieter die Miete nach einer energetischen Sanierung explosionsartig erhöhen und so die Kosten komplett an die Mieter weitergeben. Es müssen sich der Staat und die Grundeigentümer gemeinsam mit den Mietern die Kosten teilen."
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Der Deutsche Mieterbund forderte die Bundesregierung auf, die Fördermittel für die energetische Sanierung von Wohnungen drastisch zu erhöhen. Nötig sei eine Aufstockung der Gelder von derzeit geplanten 1,5 Milliarden auf mindestens fünf Milliarden Euro pro Jahr. Andernfalls seien die aus Sanierungsmaßnahmen wie dem Einbau neuer Fenster resultierenden Erhöhungen "für Mieter nicht bezahlbar", sagte Mieterbund-Direktor Lukas Siebenkotten in Berlin. Es sei "völlig unklar", wer für die durch die Modernisierung von jährlich 800 000 Wohnungen zu erwartenden Kosten von zwölf bis 17 Milliarden Euro pro Jahr aufkomme.
Heinrich Stüven, Vorsitzender des Grundeigentümer-Verbands Hamburg, lobte die Mietrechtsreform dagegen als "wegweisend": "Jetzt stehen sich Mieter und Vermieter bei energetischen Sanierungen auf Augenhöhe gegenüber." Vermieter, Mieter und Staat müssten an einem Strang ziehen, um die Energieeinsparungsziele erreichen zu können. Stüven: "Es kann nicht angehen, dass der Mieter seine Miete kürzt, obwohl der Vermieter lediglich staatlichen Verpflichtungen nachkommt."
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Bundesbauminister Peter Ramsauer (CSU) sagte, zu den ehrgeizigen Zielen der Energiewende müssten auch Mieter und Vermieter ihren Beitrag leisten. Die Bedingungen für Investitionen sollten verbessert werden, wobei aber beide Seiten der Medaille berücksichtigt würden: "Energetische Modernisierung soll erleichtert werden, zugleich aber das soziale Gleichgewicht gewahrt bleiben", sagte Ramsauer.
Das neue Mietrecht war gestern auch Thema beim Energiegipfel von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Ministerpräsidenten im Kanzleramt. Merkel sagte, die Energiewende sei für Deutschland eine "Herkulesaufgabe, der wir uns verpflichtet fühlen". Künftig soll sich die Runde alle sechs Monate treffen, um Probleme auszuräumen. (HA, ug)