Nach Jahren des Wachstums verliert die FDP ein Bundesland
Düsseldorf/Hamburg. Sieben Monate Regierungsverantwortung in Berlin haben die FDP stärker verändert als elf Jahre Opposition. Mit Grabesmienen stand die Führung der Liberalen zusammen, als Parteichef Guido Westerwelle das Offensichtliche aussprach: "Das war ein Warnschuss für die regierenden Parteien", sagte Westerwelle, als sei er gar nicht beteiligt. Westerwelle legte optimistisch nach: "Man gewinnt zusammen, man verliert zusammen."
Doch von dieser Einigkeit mit der Union war schon keine Spur mehr, kaum dass die Liberalen in Berlin mitregierten. Die Steuersenkungspläne stießen bei den Finanzpolitikern der Union auf Vorbehalte. Die geplante Kopfpauschale von Gesundheitsminister Philipp Rösler erregte die CSU und die Opposition gleichermaßen. Und nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil zu Hartz IV verscherzte es sich Westerwelle selbst mit allen, weil er von "spätrömischer Dekadenz" sprach.
Die forsche Rhetorik klang von der Regierungsbank so, als sei Westerwelle im Dauer-Wahlkampf. Die Umfragewerte für die FDP und ihre Minister rauschten in den Keller. Die NRW-Wahl ist ein herber Einschnitt für die FDP nach Jahren des Wachstums. Zwar gewann sie im Vergleich zu 2005 knapp hinzu, doch das Ergebnis der Bundestagswahl (14,9 Prozent) war an Rhein und Ruhr mehr als doppelt so hoch.
In Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, im Saarland, in Niedersachsen, Sachsen und Schleswig-Holstein ist die FDP noch an der Regierung beteiligt. Doch in Bonn am Rhein ist Parteichef Westerwelle, 48, zu Hause. Aus NRW stammt auch der 31 Jahre alte Generalsekretär Christian Lindner, der nach wenigen Monaten im Amt als der "neue Westerwelle" gilt. FDP-Vorstand Alexander Graf Lambsdorff giftete noch am Wahlabend: "Die Union war beliebig im Wahlkampf." Das war ein Wink Richtung Berlin, wo der Ton zwischen den Koalitionspartnern schärfer werden dürfte. Denn der Juniorpartner FDP sucht die Gründe für die Niederlage offenbar bei der Union.