SPD will sich enthalten, Grüne stimmen Regierungsvorschlag zu. Die Griechenland-Hilfe könnte die Bürger noch teurer kommen
Berlin/Brüssel. Die Verhandlungen mit der SPD scheiterten, aber die Mehrheit für das Griechenland-Hilfe-Gesetz im Bundestag steht. Und dazu trägt nicht nur die Regierungskoalition aus Union und FDP bei.
Nach einem wahren Gesprächsmarathon empfiehlt SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier zwar seinen Kollegen, sich bei der Abstimmung heute zu enthalten. Doch die Grünen votieren für den Regierungskurs. Fraktionschefin Renate Künast sagte: "Es geht in der aktuellen Krise um den Bestand der Europäischen Union und der Euro-Zone. Es geht nicht allein um Griechenland." Künast ging mit dem Krisenmanagement von Merkel und ihrem Vize Guido Westerwelle ins Gericht. "Diese uneuropäische Haltung von Merkel und Westerwelle ist wahrscheinlich auch der Anfang von deren Ende."
Die Grünen würden dennoch mit "überragender Mehrheit" mit Ja stimmen. Künast sagte: "Wir stimmen nicht über Merkel ab, sondern über die Abwehr der Spekulationen in Europa."
Bundeskanzlerin Merkel (CDU) wies auf die bedrohliche Lage der Euro-Zone hin: "Das ist eine ungewöhnlich ernste Situation." FDP-Parteichef Westerwelle rechnete mit einem starken Bundestagsvotum: "Wir sind auf einem guten Weg." Die Union rechnet mit zwei Nein-Stimmen in den eigenen Reihen. Die Linken lehnen das Gesetz ab.
Der Bundestag soll heute grünes Licht geben für deutsche Staatskredite von 22,4 Milliarden Euro, die sich auf drei Jahre verteilen. In diesem Jahr sollen 8,4 Milliarden Euro fließen. Auch der Bundesrat soll heute mit den Stimmen der schwarz-gelb regierten Länder zustimmen. Bundespräsident Horst Köhler könnte das Gesetz heute bereits unterschreiben. Am Nachmittag beginnt in Brüssel der EU-Sondergipfel zu den Griechen-Hilfen.
Steinmeier sagte, die SPD habe sich nicht mit Union und FDP auf eine Beteiligung der Finanzbranche an den Kosten für die Krise einigen können. Er sagte, er sei von der politischen Notwendigkeit der Milliarden-Kredite für Griechenland überzeugt. Eine breite Bundestagsmehrheit wolle die SPD aber Kanzlerin Merkel nicht verschaffen, da die CDU-Chefin wirksame Instrumente zur Vermeidung künftiger Krisen ablehne.
Die SPD hatte wie Grüne und Linkspartei die Einführung einer Finanzmarktsteuer gefordert. Das lehnten Union und FDP ab. Eine Finanzmarktsteuer oder Transaktionssteuer würde nicht die Gewinne von Banken besteuern, sondern jeden einzelnen Handel fast aller Finanzprodukte: von Aktien über Devisen bis zu Spekulationspapieren. Ein Steuersatz von 0,05 Prozent auf jeden Handel würde Deutschland Einnahmen von zehn bis 20 Milliarden Euro bringen.
Merkel räumte im Westdeutschen Rundfunk ein, dass eine effektive Kontrolle der Finanzmärkte der Politik Probleme macht. "Spekulanten sind unsere Gegner. Wir befinden uns im Kampf der Politik mit den Märkten." Es sei aber alles andere als leicht, dem Finanzsektor Zügel anzulegen. "Das ist eine Herkulesaufgabe, und da hat die Politik noch eine Achillesferse." Zu Beginn der Finanzkrise hätten die Banken versagt, dann die Solidarität der Allgemeinheit eingefordert, und jetzt spekulierten sie auf die Schulden in Not geratener Staaten, sagte Merkel mit Blick auf Griechenland. "So etwas nenne ich perfide." Als Skandal bezeichnete sie die Tatsache, dass Hedgefonds noch nicht verboten seien. Merkel setzte sich für eine europäische Ratingagentur unter dem Dach einer unabhängigen Stiftung ein.
Derweil wurde bekannt, dass Deutschland sich am Rettungspaket für Griechenland womöglich mit einer höheren Summe beteiligen muss als bisher bekannt. Experten der EU-Kommission bestätigten Berichte, nach denen die Euro-Länder einen Solidaritäts-Mechanismus vereinbart haben. So soll verhindert werden, dass Länder wie Portugal oder Irland mit den Griechenland-Hilfen Verluste machen. Mitgliedstaaten, die sich zu einem höheren Zinssatz Geld leihen müssen als dem, zu dem sie Geld an die Griechen verleihen, können von den Partnerländern dafür einen Ausgleich verlangen, der von den anderen Euro-Mitgliedstaaten aufgebracht werden müsste.
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