Unter den Entlassenen sind der Energie- und Umweltminister sowie die Vizeministerin für Sozialthemen. Der Live-Blog zur Krise.

Die neue Griechenland-Hilfe kommt allmählich ins Rollen. Nach dem Ja des Athener Parlaments zu drastischen Sparmaßnahmen sowie der zugesagten Unterstützung der EU- und Euro-Länder hat auch der Bundestag am Freitag mit großer Mehrheit grünes Licht für Verhandlungen über weitere Milliarden-Finanzhilfen für Griechenland gegeben. Verfolgen Sie den Live-Blog bei abendblatt.de.

Tsipras wirft Kritiker aus dem Kabinett

Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras hat bei einer Regierungsumbildung Vertreter des linken Flügels seiner Partei entlassen. Darunter ist der Energie- und Umweltminister Panagiotis Lafazanis, wie Tsipras' Büro am Freitagabend mitteilte. Zudem wurde der stellvertretende Minister für Sozialthemen, Dimitris Stratoulis, gefeuert. Die beiden gelten als Anführer des linken Flügels von Tsipras' Partei. Sie sperren sich gegen weitere Sparmaßnahmen und Privatisierungen und befürworten den Austritt aus der Eurozone. Zudem müssen mehrere Vizeminister gehen.

Die Entlassenen werden durch enge Mitarbeiter und Vertraute des Regierungschefs ersetzt. Das wichtige Ministerium für Umwelt und Energie, das zahlreiche Privatisierungen vornehmen muss, übernahm Tsipras' Mitarbeiter Panos Skourletis. Finanzminister bleibt Euklid Tsakalotos. Auch Außenminister Nikos Kotzias behält sein Amt.

32 Abgeordnete des linken Flügels der regierenden Partei Bündnis der radikalen Linken (Syriza), darunter auch Lafazanis und Stratoulis, hatten am Donnerstagfrüh gegen das griechische Sparprogramm im Parlament votiert. Es gab zudem sechs weitere Abweichler, die sich der Stimme enthielten und eine Abgeordnete, die nicht zur Abstimmung erschien.

Tsipras hatte anschließend seinen Mitarbeitern gesagt, er wolle das Land weiter mit einer Minderheitsregierung führen, die sich auf 123 der insgesamt 300 Volksvertreter in dem Parlament stützen kann und von der Opposition geduldet wird. Erste Priorität habe jetzt das neue Spar- und Hilfsprogramm. Wenn das unter Dach und Fach sei, könnten im Herbst vorgezogene Wahlen stattfinden, hieß es aus Regierungskreisen.

60 Abgeordnete stimmen gegen den Kurs der Kanzlerin

In der Sondersitzung des Bundestags zu Verhandlungen über weitere Griechenland-Hilfen war der Widerstand in der Union größer als erwartet: 60 Abgeordnete von CDU und CSU stimmten am Freitag gegen das von der schwarz-roten Bundesregierung vorgelegte Maßnahmenpaket, 5 enthielten sich, teilte das Parlament am Nachmittag mit. Nach der Fraktionssitzung vom Donnerstagabend war die Union von 48 Abweichlern ausgegangen. Prominente Nein-Stimmen kamen unter anderem von Wolfgang Bosbach (CDU), Klaus-Peter Willsch (CDU) und Peter Ramsauer (CSU). Insgesamt 241 CDU/CSU-Abgeordnete stimmten mit Ja.

Große Mehrheit im Bundestag für weitere Gespräche

In einer Sondersitzung des Parlaments am Freitag erteilten 439 Abgeordnete der Bundesregierung ein Mandat für Gespräche der Geldgeber mit der Athener Regierung über ein drittes Hilfspaket sowie für eine kurzfristige Brückenfinanzierung. Bei der namentlichen Abstimmung nach mehr als dreistündiger Debatte stimmten 119 Abgeordnete mit Nein, 40 enthielten sich. Abgegeben wurden 598 Stimmen. Insgesamt hat der Bundestag 631 Sitze.

Ein Teil der Gegner kommt auch aus den Reihen von CDU und CSU, die Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) damit die Gefolgschaft verweigerten. 48 Unionsabgeordnete hatten vor der Sondersitzung ein Nein angekündigt. Die SPD-Fraktion wollte sich nahezu geschlossen hinter die Pläne stellen, Verhandlungen aufzunehmen.

Auch die Grünen sind für ein drittes Hilfspaket sowie Verhandlungen. Sie hatten aber angekündigt, sich wegen der Verhandlungsführung der Bundesregierung bei der Abstimmung über das Regierungsmandat mehrheitlich zu enthalten. Die Linke lehnt Verhandlungen ab - mit dem Argument, Griechenland würden zu harte Bedingungen auferlegt.

Österreich stimmt Verhandlungen zu

Österreichs Parlament hat der Aufnahme von Verhandlungen mit Griechenland über ein drittes Hilfsprogramm zugestimmt. Der Nationalrat in Wien erteilte Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) mit den Stimmen der rot-schwarzen Regierungskoalition ein entsprechendes Mandat. Die Oppositionsparteien - die Grünen, die rechte FPÖ und die liberalen Neos - stimmten dagegen. „Wir sind am Beginn eines Prozesses, der durchaus noch sehr, sehr schwierig werden wird“, betonte Schelling. Es bestehe aber erstmals zusammen mit Griechenland der Wille, diesen schwierigen Weg zu einem guten Ende zu bringen. „Wir werden mit klaren Strukturen verhandeln, um Griechenland auf einen erfolgreichen Weg zurückzuführen“, sagte Schelling.

Schäuble verteidigt sich gegen Kritik

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat sich gegen Kritik an seiner Verhandlungsführung zur Rettung Griechenlands verteidigt und warb um Zustimmung für weitere Hilfen an Athen. Vor der Abstimmung des Bundestages sagte er, die von der Euro-Gruppe mit Griechenland erzielte Einigung sei ein letzter Versuch, um das außergewöhnlich schwierige Problem zu lösen: „Ich bin davon überzeugt, dass diese Lösung funktionieren kann.“ Es bestehe die Chance für einen erfolgreichen Abschluss. Alle in der Regierung seien einer Meinung, dass man Griechenland helfen müsse.

Er wandte sich aber gegen jede „verzerrende Polemik“. Dies sei nicht hilfreich, er sei aber abgehärtet, sagte Schäuble. Hintergrund ist sein umstrittener Vorschlag für ein zeitweises Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro („Grexit“) als eine Option, um die Schuldenlast zu senken. Ein echter Schuldenschnitt ist nach den aktuellen EU-Verträgen unmöglich. Daher werde ein drittes Programm noch schwieriger als die vorangegangenen. Die Bundesregierung respektiere den Wunsch Griechenlands, im Euro bleiben zu wollen.

Kommentar: Warum der Grexit die bessere Lösung sein könnte

Athen leiht sich kurzfristig Geld

Griechenland hat sich kurzfristig frisches Geld am Kapitalmarkt besorgt und eine Milliarde Euro kurzlaufender Staatspapiere refinanziert. Wie die Schuldenagentur PDMA berichtete, konnten bereits am Mittwoch 813 Millionen Euro für 13 Wochen in Form kurzlaufender Staatspapiere aufgenommen werden. Weitere 187 Millionen Euro seien im Rahmen eines gesonderten Verfahrens in die Staatskassen geflossen, berichtete die griechische Finanzpresse.

Gabriel: Wir sagen Ja

SPD-Chef Sigmar Gabriel hat eine klare Zustimmung der Sozialdemokraten zu neuen Verhandlungen über Finanzhilfen für Griechenland angekündigt. „Wir sagen Ja zur Aufnahme der Verhandlungen über dieses dritte Hilfspaket“, sagte der Vizekanzler in der Sondersitzung des Bundestags. Bisher seien lediglich Bürgschaften und Kredite geleistet worden. „Es geht darum, alles dafür zu tun, dass niemals Geld fließen muss.“ Bei den jüngsten Verhandlungen in Brüssel sei es nicht nur um Griechenland gegangen, sondern um eine mögliche Spaltung der Eurozone. „Diese Spaltung hätte Europa in eine viel tiefere Krise geführt als nur in eine Finanzkrise.“

Nun begännen erst die eigentlichen Herausforderungen. „Die größte Herausforderung ist es für Griechenland und die Menschen dort, denn das Land steckt nicht nur in einer tiefen Krise, sondern es muss sich dramatisch verändern, um aus dieser Krise herauszukommen.“ Gabriel äußerte Kritik an der griechischen Regierung, zeigte aber auch Verständnis für ihre schwierige Lage. „Griechenland kämpft um seine Selbstbehauptung.“ Das Land kämpfe darum, aus dem Status eines Almosenempfängers herauszukommen und sein Schicksal selbst in die Hand nehmen zu können.

Gysi sieht Schäuble als Totengräber der europäischen Idee

Linke-Fraktionschef Gregor Gysi kritisierte die Griechenland-Politik von Schäuble. „Herr Schäuble, es tut mir leid, aber Sie sind dabei, die europäische Idee zu zerstören“, sagte Gysi in der Sondersitzung des Bundestags.

Beifall für Schäuble im Bundestag

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat vor der Abstimmung des Bundestages eindringlich für ein neues Milliarden-Rettungspaket für Griechenland geworben. Die Voraussetzungen für Hilfen seien gegeben. Auf die Frage, ob die Vorteile die Nachteile überwiegen, sagte Merkel: „Meine Antwort lautet aus voller Überzeugung: Ja.“ In einer Sondersitzung des Bundestages betonte die Kanzlerin zudem: „Wir würden grob fahrlässig handeln, wenn wir diesen Weg nicht wenigstens versuchen würden.“

Merkel dankte ausdrücklich Schäuble für die Verhandlungen und erhielt dafür langen Beifall aus der Unionsfraktion. Der Euro sei weit mehr als eine Währung, sagte sie. Er stehe wie keine zweite europäische Entscheidung für die Idee einer europäischen Einigung. Aber europäische Verträge müssten eingehalten und dürften nicht einseitig für null und nichtig erklärt werden. Europa benötige aber auch die Fähigkeit zum Kompromiss.

„Le Monde“ bricht Lanze für die Kanzlerin

Die französische Tageszeitung „Le Monde“ kommentiert die Haltung von Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Griechenland-Krise wie folgt: „Während der Krise um Griechenland hat die deutsche Bundeskanzlerin die europäischen Institutionen verteidigt. Wir sollten ihr dafür dankbar sein. Es ist natürlich viel bequemer, Angela Merkel Unbeugsamkeit vorzuwerfen, als sich über die wirklichen Ursachen der Finanzkrise des griechischen Staates und die Verantwortlichen dieser Krise Gedanken zu machen. Genauso absurd ist es, Merkel vorzuwerfen, sie verordne Europa Sparsamkeit. Sie sagt nur, dass eine gute Verwaltung der Staatsfinanzen die Grundlage des Wirtschaftswachstums ist. Es ist bedauerlich, dass Angela Merkel angegriffen wird, obwohl sie nicht Deutschland, sondern alle Europäer verteidigt. Dafür sollten wir die deutschen Bundeskanzlerin Ehre erweisen.“

SPD-Vize über fehlenden CDU-Rückhalt für Merkel

Thorsten Schäfer-Gümbel kommentierte in einer Twitter-Botschaft die bevorstehende Sondersitzung im Bundestag über neue Finanzhilfen und Verhandlungen mit Griechenland: „Was würde die Kanzlerin heute eigentlich machen, wenn sie nur auf ihre Partei angewiesen wäre?“ 48 Abgeordnete der Union wollen mit „Nein“ stimmen, die SPD-Fraktion hat sich nahezu geschlossen hinter die Pläne gestellt.

Krichbaum: Griechenland-Ablehnung in Union nicht hochstilisieren

Der CDU-Europapolitiker Gunther Krichbaum sieht Kanzlerin Angela Merkel wegen des Unmuts in der Unionsfraktion über neue Hilfen für Griechenland nicht beschädigt. „Es geht hier um die Sachfrage, die im Vordergrund steht. Man sollte das jetzt auch nicht weiter hochstilisieren“, sagte der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag im ARD-„Morgenmagazin“.

Krichbaum sagte, er werde mit Ja stimmen, habe aber sehr lange mit sich gerungen. „Es ist wahrscheinlich die schwierigste politische Entscheidung, die ich, seit ich jetzt im Bundestag bin, seit 13 Jahren, zu treffen habe.“ Das Problem sei, dass Athen das Vertrauen zerstört habe. „Auf der anderen Seite geht es natürlich um mehr als nur Griechenland. Es geht darum, ob und wie wir in der Europäischen Union, vor allem in der Euro-Zone zusammenstehen.“ Man stehe jetzt vor schwierigsten Verhandlungen mit Athen, sagte Krichbaum. „Auch die Option eines Grexit bleibt auf dem Tisch“, betonte er.