Der Islamische Staat greift selbst gegen Glaubensbrüder zu nacktem Terror. Männer, Frauen und Kinder eines sunnitischen Stammes mussten sich in einer Reihe aufstellen und wurden öffentlich erschossen.
Bagdad. Die Terrormiliz Islamischer Staat reagiert mit brutaler Gewalt auf den zunehmenden Widerstand sunnitischer Stämme in der von ihr weitgehend kontrollierten Provinz Anbar. Seit Donnerstag wurden bei drei Massakern 148 Mitglieder des Stammes Al Bu Nimr erschossen - Männer, Frauen und Kinder. Die Zahl wurde von einem Beamten des Gouverneursamts in Ramadi bestätigt, der seinen Namen nicht genannt wissen wollte. In Bagdad riss eine Autobombe 14 schiitische Pilger in den Tod.
Über Details der Massaker berichteten Stammesführer und Kommunalpolitiker der Nachrichtenagentur AP. Ihren Angaben zufolge wurden am Freitagabend und Sonntag in dem Dorf Ras al-Maa jeweils 50 Männer, Frauen und Kinder gezwungen, sich in einer Reihe aufzustellen. Im Stile einer Massenhinrichtung wurden sie dann öffentlich erschossen.
Ein ranghoher Vertreter des Stammes Al Bu Nimr, Scheich Naim al-Gaoud, sagte der AP, IS-Terroristen hätten am Sonntag so mindestens 40 Männer, sechs Frauen und vier Kinder getötet. 17 Stammesmitglieder seien aus dem nördlich der Provinzhauptstadt Ramadi gelegenen Dorf verschleppt worden.
Am Sonnabend hatte ein Kommunalpolitiker mitgeteilt, dass die Terrormiliz am Freitagabend im selben Dorf ebenfalls 50 Männer und Frauen des Stammes in einer Reihe aufgestellt und erschossen habe. Die Extremistengruppe habe ihnen vorgeworfen, nach ihrer Vertreibung aus ihren Häusern Vergeltung gegen IS-Kämpfer geübt zu haben.
Hinrichtungen auf der Tagesordnung
„Diese Tötungen finden nun täglich in vom Islamischen Staat kontrollierten Gebieten statt und sie werden weitergehen, bis diese Terrorgruppe gestoppt ist“, sagte Stadtrat Faleh al-Issawi. Am Donnerstag hatte es in Anbar den Angaben zufolge ein weiteres Massaker an 48 Menschen gegeben. Die Terrormiliz hat einen großen Teil der Provinz Anbar unter ihre Kontrolle gebracht und in den von ihr eroberten Gebieten im Irak und Syrien ein Kalifat ausgerufen.
Sunnitische Stämme sind seitdem für die irakische Regierung eine wichtige Stütze im Kampf gegen den IS geworden. Kämpfer der Dschughaifi und Al-Bunimer unterstützen irakische Sondereinheiten beim Schutz des Haditha-Staudamms in Anbar. In der umkämpften Stadt Dhuluija stellen sich allen Stammeskämpfer der Al-Dschabburi dem IS entgegen. Falludscha und Teile Ramadis sind allerdings auch deswegen vom IS erobert worden, weil die dortigen Stämme anfangs den IS unterstützten.
Der irakische Ministerpräsident Haider al-Abadi will eine Nationalgarde aufbauen, die von den Stämmen getragen werden soll. Die Unterstützung aller Stämme dafür hat er noch nicht gewonnen.
Bei dem Autobombenanschlag im Bagdader Bezirk Bajaa wurden nach Angaben der Polizei 14 schiitische Pilger getötet und 32 verletzt. Sie wollten zum Aschura-Fest in die heilige Stadt Kerbela.
Die UN-Mission in Bagdad teilte am Sonnabend mit, im Oktober seien mindestens 1273 Menschen im Irak getötet worden. Nicht in dieser Bilanz enthalten sind Opfer der Gewalt in Anbar sowie anderen vom IS und weiteren militanten Gruppen kontrollierten Gebieten. Im September hatte die UN-Vertretung 1119 getötete Iraker gezählt.