Im Hamburger Hafen sinkt der Containerumschlag mit Russland, im Außenhandel hat sich die Stimmung eingetrübt. Doch nicht alle Großfirmen spüren Einbußen.

Hamburg Der Konflikt in der Ukraine gehört derzeit zu den größten Sorgen in der deutschen Wirtschaft. So trug die Angst vor einem Handelskrieg mit Russland dazu bei, dass der Ifo-Geschäftsklimaindex im August abermals gefallen ist. Schon im ersten Halbjahr wirkte sich die Ukraine-Krise massiv auf die Umsätze deutscher Firmen aus: Die Exporte nahmen von Januar bis Juni um 15,5 Prozent auf knapp 15,3 Milliarden Euro ab, wie der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft mitteilte. Dabei hat die Europäische Union ihre Sanktionen, auf die Russland mit einem Einfuhrstopp für Lebensmittel und Agrarprodukte antwortete, erst Ende Juli beschlossen.

Das Abendblatt stellt zusammen, wie man die Situation in drei wichtigen Sektoren der Hamburger Wirtschaft aktuell einschätzt.

Hafen/Logistik

Für den Hamburger Hafen ist Russland der zweitgrößte Handelspartner. Im ersten Halbjahr verzeichnete der Hafen im Russland-Geschäft ein Minus von 3,8 Prozent auf rund 0,3 Millionen Standardcontainer (TEU). Allerdings lag das Volumen im Containerumschlag mit China bei 1,4 Millionen TEU und damit weitaus höher – und hier gab es einen Zuwachs von 12,9 Prozent.

Im Export nach Russland habe man im Jahr 2013 etwa 400.000 TEU umgeschlagen, sagte Bengt van Beuningen, Sprecher von Hafen Hamburg Marketing. Davon hätten die nun vom Embargo erfassten Güter, vor allem Lebensmittel, einen Anteil von ungefähr zehn Prozent ausgemacht. „Ein Großteil davon kam aber aus Drittländern, die nicht unter das Einfuhrverbot fallen, etwa aus Südamerika“, so van Beuningen. Allgemein gelte jedoch: „Jede Sanktion, die mit dem Verbot des Exports oder Imports bestimmter Waren oder der Einschränkung des Wirtschaftsverkehrs insgesamt verbunden ist, wird sich auch auf den Hamburger Hafen und den Seegüterumschlag im Russlandverkehr auswirken.“

Unter den Hamburger Logistikfirmen, die die Krise zu spüren bekommen, ist die auf den Schienenverkehr spezialisierte VTG. So trugen die Spannungen zwischen Russland und der Ukraine nach Angaben des Unternehmens nicht unerheblich dazu bei, dass der Betriebsgewinn im Bereich Schienenlogistik im ersten Halbjahr von 2,7 Millionen auf nur noch 0,1 Millionen Euro einbrach.

Außenhandel

Die unsichere Lage in der Ukraine und die Sanktionen gegen Russland haben Spuren im norddeutschen Groß- und Außenhandel hinterlassen. Auch wenn die Aussichten bis zum Jahresende insgesamt noch „vorsichtig optimistisch“ beurteilt würden, habe sich die Stimmung in der Branche eingetrübt, hieß es vom Unternehmensverband AGA: „Die lang- und mittelfristige Planung für unsere Unternehmen wird schwieriger.“

In der gesamten Branche haben die Umsätze im zweiten Quartal nur noch um 1,2 Prozent zugenommen, im ersten Quartal waren es noch 3,5 Prozent. Im Teilbereich Export hätten die Betriebe zuletzt ein Umsatzminus von 1,4 Prozent verzeichnet, nach einem Plus im ersten Vierteljahr von zwei Prozent. „Der Handelskonflikt mit Russland ist für die betroffenen Händler im Norden schmerzhaft“, sagte AGA-Präsident Hans Fabian Kruse. „Für die russische Wirtschaft und die Menschen dort zeigt er jedoch noch negativere Folgen, auch wenn dies öffentlich nicht eingestanden wird“, so Kruse.

Die Geschäftsverbindungen nach Russland seien eng und hätten sich gerade in den zurückliegenden Jahren dynamisch entwickelt. „Deshalb hat in der Wirtschaft niemand Interesse an einem längerfristigen Konflikt. Dennoch: Klare Völkerrechtsverstöße bedürfen klarer Antworten“, sagte Kruse.

Industrie

Michael Westhagemann, Vorstandsvorsitzender des Industrieverbands Hamburg (IVH), weist darauf hin, dass die gegen Russland verhängten Beschränkungen im Wirtschaftsverkehr eben nicht nur Russland treffen: „Sanktionen gehen immer zu Lasten der eigenen Wirtschaft – allen voran spüren das auch Industrieunternehmen, die exportieren.“ Im ersten Halbjahr litten besonders die Maschinenbauer und die Autohersteller unter der Krise. Trotz des Ukraine-Konflikts erwartet man beim Gabelstaplerhersteller Jungheinrich jedoch einen im Vergleich zum Vorjahr unveränderten Russland-Umsatz: „Das Neugeschäft ist leicht zurückgegangen, aber für uns ist auch der Service wichtig“, sagte ein Firmensprecher.

Auch in anderen Branchen verzeichnen nicht alle Hamburger Firmen, die auf dem russischen Markt aktiv sind, derzeit Einbußen. So hat sich bei Beiersdorf der dortige Umsatz im ersten Halbjahr sogar erhöht.