Übergangsregierung wirft Russland Diebstahl vor. Separatisten töten sechs ukrainische Soldaten. EU verspricht neue Finanzhilfen.

Brüssek/Kiew/Odessa. Angesichts der separatistischen Bewegungen in der Ostukraine hat Übergangsregierungschef Arseni Jazenjuk Probleme eingeräumt, im ganzen Land Präsidentschaftswahlen zu organisieren. „Wir tun unser Bestes, um freie und faire Präsidentschaftswahlen abzuhalten“, sagte Jazenjuk nach einem Treffen der ukrainischen Regierung mit der EU-Kommission in Brüssel. Im Gasstreit mit Russland drohte Jazenjuk Moskau mit einer Klage.

Die Regierung in Kiew gehe davon aus, dass sie die Lage in der Ostukraine vor der Abstimmung am 25. Mai stabilisieren könne, sagte Jazenjuk. „Wir räumen aber ein, dass es einige Hotspots geben wird, wo es kompliziert sein wird, freie und faire Wahlen abzuhalten.“ Die zentrale Wahlkommission tue alles, damit alle Wähler ihre Stimme abgeben könnten und es einen legitimen Präsidenten gebe.

„Die Europäische Union erwartet, dass diese Wahlen frei und fair nach internationalen Standards sein müssen“, sagte EU-Kommissionschef José Manuel Barroso. „Sie sind von entscheidender Bedeutung für die Zukunft der Ukraine und die Zukunft der Stabilität in diesem Teil Europas.“

Im Streit mit Moskau um russische Gaslieferungen sagte Jazenjuk eine Begleichung offener Rechnungen zu, wenn Russland den Preis auf Marktniveau senke. Andernfalls werde die Ukraine eine Klage vor einem internationalen Schiedsgericht anstrengen. „Das ist die letzte Aufforderung an Russland, sich an den Verhandlungstisch zu setzen und eine Lösung zu finden“, drohte der Übergangsregierungschef.

Die von der Pleite bedrohte Ukraine erhielt jahrelang verbilligtes Gas aus dem Nachbarland. Nach dem Sturz des prorussischen Präsidenten Viktor Janukowitsch im Februar hat Moskau die Rabatte aber gestrichen und verlangt nun den vollen Preis. Kiew muss für russisches Gas inzwischen europaweit einen der höchsten Preise zahlen, was die Übergangsregierung bislang verweigert. Der russischen Energiekonzern Gazprom droht damit, seine Gaslieferungen einzustellen.

Jazenjuk warf Russland zudem vor, durch die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim Staatsbesitz in Form von Gas, Energieunternehmen und Maschinen im Wert von Milliarden von Dollar „gestohlen“ zu haben. Ebenso wie Barroso forderte Jazenjuk die Regierung in Moskau auf, ihre Energiereserven nicht als politische Waffe einzusetzen.

Die EU-Kommission sagte Kiew erneut Hilfe zu. Barroso und Jazenjuk unterzeichneten einen Vertrag zur Unterstützung einer Reform der staatlichen Strukturen in der Ukraine. Darin ist eine finanzielle Hilfe der EU über 355 Millionen Euro vorgesehen. Weitere zehn Millionen Euro sollen Barroso zufolge in die Stärkung der Zivilgesellschaft in der Ukraine fließen. Beide Seiten besiegelten zudem Finanzhilfe in Höhe von einer Milliarde Euro, die Ukraines Regierung auch zur Tilgung von Gasschulden nutzen kann.

Derweil sind bei einem Angriff von mindestens 30 prorussischen Aufständischen aus einem Hinterhalt sechs ukrainische Soldaten im Osten des Landes getötet. Bei dem Angriff vor der Stadt Kramatorsk seien acht Soldaten verletzt worden, teilte das ukrainische Verteidigungsministerium mit. Die Aufständischen hätten Granatwerfer und Schnellfeuerwaffen benutzt.

Prorussische Aufständische haben seit einem Monat im Ostteil des Landes in einigen Städten Regierungs- und Verwaltungsgebäude besetzt. Die beiden östlichen Regionen Donezk und Lugansk hatten sich am Montag für unabhängig vom Rest des Landes erklärt.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat in der ukrainischen Stadt Odessa der mindestens 48 Todesopfer der blutigen Ausschreitungen von Anfang Mai gedacht. Er sprach bei seinem Besuch am Dienstag von „vielen Unschuldigen“, die ums Leben gekommen seien. „Das hat auch die Menschen in Deutschland sehr berührt.“ Steinmeier ist der erste westliche Außenminister, der nach der Brandkatastrophe nach Odessa kam.