Uno wirft Assad-Armee und Rebellen den Einsatz von Kindersoldaten vor. 1,6 Millionen Menschen sind ins Ausland geflohen
Genf/Damaskus. Ganze Dörfer und Stadtviertel liegen in Trümmern, immer mehr Menschen sterben: Die Zivilbevölkerung trägt die Hauptlast des Syrien-Konflikts. Uno-Experten beklagen, dass Kinder zum Kämpfen gezwungen, gefoltert und getötet werden.
Die Zahl der Todesopfer in dem Bürgerkrieg ist nach Schätzungen der Vereinten Nationen auf mehr als 93.000 Menschen gestiegen. „Dies ist das Minimum – die wahre Zahl der Toten liegt vermutlich noch weitaus höher“, sagte die Uno-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, am Donnerstag in Genf. Diese Zahlen belegten die sich rapide verschlechternde Lage in Syrien. Die Kämpfe zwischen den Truppen von Machthaber Baschar al-Assad und Aufständischen hatten im März 2011 begonnen.
Einer Uno-Studie zufolge wurden seit Juli 2012 monatlich mehr als 5000 Todesfälle dokumentiert. „Zivilisten tragen die Hauptlast der weit verbreiteten, gewaltsamen und oft willkürlichen Angriffe“, sagte Pillay. So seien unter den Toten weit mehr als 6500 minderjährige Jungen und Mädchen. Pillay forderte alle Staaten, die Einfluss auf die Konfliktparteien haben, auf, sie müssten diesen für einen sofortigen Waffenstillstand geltend machen.
In einem kurz zuvor in New York vorgestellten Uno-Bericht wird sowohl den Rebellen als auch der syrischen Armee vorgeworfen, Kindersoldaten einzusetzen. Kinder würden von der Armee gefoltert, wenn sie unter dem Verdacht stünden, die Rebellen zu unterstützen. „Es gibt mehrere Berichte darüber, wie Regierungstruppen sexuelle Gewalt gegen Jungen eingesetzt haben, um Informationen über die Rebellen zu erlangen oder Geständnisse zu erpressen“, heißt es in dem Report der Uno-Sonderbeauftragten für Kinder und bewaffnete Konflikte, Leila Zerrougui.
Die Uno-Nothilfekoordinatorin Valerie Amos bat Deutschland um mehr Unterstützung in der Syrien-Krise. Notwendig sei humanitäre Hilfe für Flüchtlinge und auch wirtschaftlicher Beistand für Jordanien, die Türkei und den Libanon, sagte Amos im Deutschlandfunk. Die Nachbarländer hätten die meisten der 1,6 Millionen Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen. Die Lage der Menschen verschärfe sich weiter. „Wir haben die nackte Not gesehen in den Augen der Vertriebenen und der Flüchtenden“, sagte Amos. Je länger sich der Konflikt hinziehe, desto mehr leide die Zivilbevölkerung. Die Wirtschaft kollabiere. „Wir sehen darüber hinaus den Zusammenbruch der Währung, einen Mangel an Treibstoff, an Strom, an Wasser.“ Ein Drittel der rund 20 Millionen Syrer sei auf Hilfe angewiesen.
Am Donnerstag weiteten sich die Kämpfe zwischen Aufständischen und Regierungstruppen erneut auf die Hauptstadt aus. Auf dem internationalen Flughafen von Damaskus schlugen nach Berichten von Rebellen und Medien mehrere Raketen ein. Das staatliche Fernsehen meldete, Geschosse seien nahe einer Startbahn detoniert. Einige Flüge seien verschoben worden. Ein Mensch sei verletzt worden, als ein Geschoss ein Lagergebäude traf. Der Sender Russia Today meldete, ein irakisches Flugzeug sei getroffen worden. Dabei seien vier Passagiere und vier Flughafen-Mitarbeiter verletzt worden.
Im vergangenen Jahr war der Flughafen schon einmal von den Rebellen umzingelt und zeitweise blockiert worden. Regierungstruppen hatten seinerzeit die Straße zum Flughafen wieder freigekämpft und die Rebellen aus ihren Stellungen vertrieben. Gegenwärtig versuchen die Soldaten, die Rebellen aus den Vororten von Damaskus zurückzudrängen.
Die USA lockern Sanktionen, um Syriens Opposition zu unterstützen
Nach Angaben der oppositionsnahen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte lieferten sich Rebellen und Regierungskräfte zudem schwere Gefechte um eine wichtige Armeestellung im Norden der Region Homs. Demnach eroberten Rebellen die Stellung nahe der Ortschaft Morak, die es ermöglicht, die Verbindungsstraße zwischen Aleppo und Damaskus zu kontrollieren.
Auch im Libanon setzten sich die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Assad-Anhängern und -Gegnern. Ein Angehöriger der libanesischen Sicherheitskräfte sagte, in der Region Bekaa seien vier Raketen aus Syrien eingeschlagen. Die Region wird mehrheitlich von Schiiten bewohnt – die Machtbasis der schiitischen Hisbollah-Miliz, die aufseiten des syrischen Präsidenten kämpft. Am Mittwoch hatte ein syrischer Militärhubschrauber das von Sunniten bewohnte libanesische Dorf Aarsal beschossen. Viele sunnitische Libanesen unterstützen ihre syrischen Glaubensgenossen im Kampf gegen Assad.
Um die Opposition zu unterstützen, lockerten die USA mehrere Wirtschaftssanktionen gegen Syrien. Damit können bestimmte in den USA hergestellte Produkte künftig in Gebiete exportiert werden, die von Regime-Gegnern kontrolliert werden. Die staatliche syrische Tageszeitung „Al-Thawra“ schrieb zudem, arabische und westliche Staaten wollten nun die Rebellen bewaffnen, nachdem ihre anderen Strategien für den Sturz des Regimes gescheitert seien. Vor zwei Wochen hatte die EU ihr Waffenembargo gegen Syrien auslaufen lassen.