Sie erhielten von den italienischen Behörden 500 Euro und Reisepapiere. Bis zu 300 Afrikaner kamen so auch nach Hamburg. Streit über die Unterbringung und die Rückführung.
Berlin/Hamburg. Unter starkem Druck aus Berlin hat Italien im Streit um die mittellos in Deutschland gestrandeten Flüchtlinge aus Afrika eingelenkt. Die italienischen Behörden hätten in Verhandlungen zugesichert, die Flüchtlinge wieder aufzunehmen, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums am Donnerstag in Berlin. Italien hatte die Flüchtlinge zuvor mit befristeten Reisedokumenten ausgestattet und ihnen jeweils 500 Euro gezahlt. Die Aufenthaltspapiere erlauben für drei Monate das Reisen im Schengen-Raum – also in den europäischen Ländern, zwischen denen es keine Grenzkontrollen mehr gibt. Dazu gehört auch Deutschland.
Dieses Vorgehen hatte die italienischen Behörden dem Verdacht ausgesetzt, die Flüchtlinge nach der Schließung von Aufnahmelagern in Italien gezielt durch die Geldzahlung nach Deutschland weggelockt zu haben. Die Bundesregierung bewertete Italiens Vorgehen kritisch. Zwar sei es juristisch nicht verwerflich, hieß es im Innenministerium. Allerdings liefe das italienische Vorgehen auf eine „Strapazierung des Geistes von Schengen“ hinaus.
Schätzungen zufolge sollen sich allein in Hamburg etwa 150 dieser Flüchtlinge aufhalten. Es gibt aber auch Berichte, wonach es bis zu 300 sein sollen. Vor allem handelt es sich um junge Männer aus Ghana und Togo, die über Libyen nach Italien gelangten. Sie sind völlig mittellos und verbringen die Nächte notgedrungen im Freien, da sie keinen Anspruch auf staatliche Hilfsleistungen haben. Auch in Bayern halten sich nach Medienberichten etwa 300 solcher Flüchtlinge auf.
In den Verhandlungen mit Italien wurde nach Berliner Ministeriumsangaben vereinbart, dass die Flüchtlinge dorthin zurückkehren sollen, sobald ihre dreimonatigen Aufenthaltstitel abgelaufen sind. Die meisten der Titel seien Ende Februar oder Anfang März ausgestellt worden. Das Bundesinnenministerium forderte die Landesbehörden in Hamburg auf, die nötigen Maßnahmen für die Rückkehr der Flüchtlinge nach Italien zu ergreifen.
Die italienische Regierung hatte zuvor ihr Vorgehen verteidigt. Die Zahlung von 500 Euro und die Ausstellung von Aufenthaltstiteln für die Flüchtlinge seien in Absprache mit Deutschland und im Einklang mit dem europäischen Recht geschehen. „Die Deutschen wussten davon. Warum protestieren sie jetzt?“, sagte ein Sprecher des italienischen Innenministeriums der Zeitung „La Repubblica“. Der Sprecher des Bundesinnenministeriums hielt dagegen, eine solche Absprache habe es vorher nicht gegeben.
Der Umgang Italiens mit den Flüchtlingen beschäftigt inzwischen auch die EU-Kommission. „Etliche Fakten sind bisher völlig ungeklärt“, kritisierte ein Sprecher von EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström in der „Bild“-Zeitung. Es gehe um die Zahl der Flüchtlinge, an die Reisedokumente ausgehändigt worden seien, sowie um den Grund für die Geldzahlungen. In einem Fragenkatalog verlange Malmström Auskunft von der italienischen Regierung.
Das italienische Innenministerium betonte in einer Erklärung, dass die Ausgabe der Reisedokumente an die Flüchtlinge vom Gesetz gedeckt sei. Die Geldzahlung habe dazu gedient, dass die Flüchtlinge ihre „nötigsten Ausgaben“ bestreiten können, hieß es in Rom.
Hamburg bemühte sich derweil weiter um eine Übergangslösung für die Afrikaner. Die Sozialbehörde spreche derzeit mit der Evangelischen Kirche und dem Diakonischen Werk über Unterkunftsmöglichkeiten, sagte deren Sprecher Olaf Dittmann. Ziel sei eine „kurzfristige zeitlich begrenzte Unterbringung“. Nach Angaben der Hamburger Sozialbehörde können sich die Betroffenen tagsüber in sozialen Einrichtungen aufhalten und werden mit Essen und Kleidung versorgt. Die medizinische Notversorgung sei gesichert, auch Beratungsangebote gebe es. Die Frage der nächtlichen Unterbringung sei bisher aber nicht geklärt. Nach Auskunft der Hamburger Behörden dürfen die Betroffenen nach geltender Rechtslage nicht in Deutschland arbeiten. Sie können sich daher nicht selbst versorgen. Auch Ansprüche auf Sozialleistungen bestehen nicht.
Hamburgs DGB-Vorsitzender Uwe Grund hat den Senat aufgefordert, möglichst umgehend eine Lösung zu finden. „Es geht um humanitäre Nothilfe für eine Gruppe von Kriegsflüchtlingen aus einem Krisengebiet“, sagte Grund. Daher müsse gemeinsam mit Kirchen, Diakonie und Flüchtlingsorganisationen nach einer Unterkunft gesucht werden. Grünen-Chefin Claudia Roth mahnte, Flüchtlinge dürften nicht zum Spielball zwischen europäischen Staaten werden. „Es ist nicht redlich, wenn Italien Flüchtlinge einfach zur Verschiebemasse macht“, sagte Roth. Sie rügte zugleich, dass Deutschland nicht bereit sei, mehr Flüchtlinge aufzunehmen, sondern sich nur darum sorge, „wie Flüchtlinge wieder abgeschoben werden können“.