Auf seine möglichen Nachfolger werden bereits Wetten abgeschlossen. Joseph Ratzinger beendet Pontifikat am 28. Februar aus Altersgründen.
Rom. Nach Benedikts überraschender Rücktrittsankündigung haben sofort Spekulationen und auch Buchwetten darüber eingesetzt, wer denn als nächster Papst gewählt werden könnte. Einer aus Afrika, aus Lateinamerika oder – nach einem polnischen und einem deutschen Papst – doch wieder ein Italiener? Schon in der „Vatileaks“-Affäre des vergangenen Jahres spielte die Frage eine Rolle, wer genug Hausmacht im Vatikan besitze und wie eine Wahl aussehen könnte.
Ein irischer Buchmacher nimmt schon Wetten auf den neuen Papst entgegen. Sein Favorit am Montagabend: Kardinal Marc Ouellet aus Quebec. Dessen Chancen stehen tatsächlich nicht ganz schlecht, der Kanadier hat sich in Rom profiliert.
Auch zwei Afrikaner sind immer mal wieder genannt worden, wenn es um die Nachfolge auf dem Stuhl Petri ging. Kardinal Peter Turkson aus Ghana ist so ein Kandidat, aber auch der nigerianische Purpurträger Francis Arinze. Er könne es sich gut vorstellen, dass erstmals ein Afrikaner Papst werde, hatte Benedikt einmal gesagt.
Fast häufiger noch war auch schon zu hören, die wachsende lateinamerikanische Kirche müsse den nächsten Pontifex stellen. Da fällt Beobachtern sofort der Name des Erzbischofs von Sao Paulo, Kardinal Otto Scherer, ein.
Bleiben die Italiener. Der Mailänder Erzbischof Angelo Scola wäre so ein „nationaler“ Kandidat, etwas weniger wohl der – umstrittene - „Regierungschef“ Benedikts, Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone. Einer bekannten vatikanischen Redewendung zufolge sollte man jedoch nicht zu sehr im Vordergrund stehen. Denn wer schon als Papst in die Wahl gehe, der komme als Kardinal wieder heraus, wird gern zitiert.
Turkson und Arinze stehen auch beim Buchmacher Paddy Power hoch im Kurs. Sie folgen direkt nach dem Favoriten Ouellet. Ein Sprecher von Paddy Power sagte: „Wir haben bereits viel Bewegung gesehen, seit im Vatikan eine Stelle frei wurde. Und wir sind sicher, dass da noch mehr kommt.“ Weit hinten rangiert der irische Rockmusiker Bono. Gewettet werden kann auch darauf, wie lange die päpstliche Konklave dauert, woher der neue Papst kommt oder wie er heißen wird.
Papst Benedikt XVI. kündigte seinen Rücktritt am Montag völlig überraschend angekündigt. Er werde sein Pontifikat am 28. Februar aus Altersgründen abgeben, sagte der 85-jährige Joseph Ratzinger vor Kardinälen in Rom. Weltweit wurde die Entscheidung mit großer Überraschung, aber auch mit höchstem Respekt aufgenommen. Noch vor Ostern soll ein Nachfolger gewählt sein. Der deutsche Papst ist seit fast acht Jahren Oberhaupt von mehr als einer Milliarde Katholiken.
In seiner Ansprache sagte Benedikt in lateinischer Sprache, er spüre das Gewicht der Aufgabe, dieses Amt zu führen, habe lange über seine Entscheidung nachgedacht und sie zum Wohl der Kirche getroffen. Wörtlich sagte der Papst: „Nachdem ich wiederholt mein Gewissen vor Gott geprüft habe, bin ich zur Gewissheit gelangt, dass meine Kräfte infolge des vorgerückten Alters nicht mehr geeignet sind, um in angemessener Weise den Petrusdienst auszuüben.“
Er sei sich der Schwere dieser Entscheidung wohl bewusst, erkläre aber mit voller Freiheit, das ihm am 19. April 2005 von den Kardinälen anvertraute Amt auf dem Stuhl Petri abzugeben. Die Kardinäle sollten für die Wahl eines neuen Kirchenoberhauptes zusammenzukommen. Nach den Worten von Vatikansprecher Federico Lombardi könnte bis Ostern ein neuer Papst gewählt sein. Ein genauer Zeitplan stand aber noch nicht fest.
Zuletzt hatte 1294 ein Papst aus freien Stücken sein Amt abgegeben. Das war Coelestin V.. 1409 wurde Gregor XII. abgesetzt, trat aber erst sechs Jahre später offiziell zurück.
Nach dem Ende seiner Amtszeit wird Benedikt in ein Kloster im Vatikan umziehen. Bevor er dort einziehen könne, müssten noch Umbauarbeiten abgeschlossen werde, sagte Lombardi. Dort wolle Benedikt ein Leben in Gebet und Meditation führen. Für die Übergangszeit werde er in der päpstlichen Sommerresidenz Castel Gandolfo bei Rom wohnen.
Auf dem Petersplatz in Rom herrschte nach der Ankündigung Benedikts ungläubiges Staunen unter den Touristen und Gläubigen. Italiens Regierungschef Mario Monti nahm die Nachricht erschüttert auf. Die Bundesregierung in Berlin reagierte bewegt und mit Respekt auf die Ankündigung.
Bundeskanzlerin Angela Merkel würdigte Benedikt als einen der bedeutendsten religiösen Denker der Gegenwart. „Wenn der Papst selbst jetzt nach reiflicher Prüfung zu dem Entschluss gekommen ist, seine Kraft reiche nicht mehr für die Ausübung seines Amtes, so hat das meinen allerhöchsten Respekt“, sagte Merkel in Berlin. Im Zeitalter des immer längeren Lebens könnten viele Menschen nachvollziehen, dass sich auch der Papst mit den Bürden des Alterns auseinandersetzen müsse.
Die Rücktrittsentscheidung ist nach Vatikanangaben nicht auf eine akute Erkrankung des Papstes zurückzuführen. Allerdings hätten in den letzten Monaten Benedikts Kräfte nachgelassen, sagte Vatikansprecher Lombardi. Mit dem Ende des Pontifikats von Benedikt XVI. beginne am 28. Februar um 20 Uhr die Zeit der Sedisvakanz. Das Konklave, das den neuen Papst wählt, solle dann im März zusammengerufen werden. Bis Ostern werde voraussichtlich ein neuer Papst gewählt sein. Dem Konklave gehören Kardinäle aus aller Welt an.
Papst-Bruder Georg Ratzinger nannte die angeschlagene Gesundheit von Benedikt XVI. als Grund für dessen Rücktritt. „Das Alter drückt“, sagte der 89-Jährige am Montag der Nachrichtenagentur dpa. Sein Arzt habe dem Papst geraten, keine transatlantischen Reisen mehr zu unternehmen, sagte Georg Ratzinger weiter. Auch das Gehen bereite seinem Bruder zunehmend Schwierigkeiten. Georg Ratzinger meinte, der Rücktritt seines Bruders sei ein „natürlicher Vorgang“. „Mein Bruder wünscht sich im Alter mehr Ruhe.“ Georg Ratzinger sagte weiter: „Ich war eingeweiht.“
Kurienkardinal Angelo Sodano nannte die Ankündigung einen „Blitz aus heiterem Himmel“. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, nannte den angekündigten Rücktritt eine „große menschliche und religiöse Geste“. „Papst Benedikt gibt aller Welt ein leuchtendes Beispiel wirklichen Verantwortungsbewusstseins und lebendiger Liebe zur Kirche.“
+++ Weitere Reaktionen auf den Papst-Rücktritt +++
Auch der Theologe und Papst-Kritiker Hans Küng zollte Benedikt Respekt. Dieser Schritt sei „aus vielen Gründen verständlich“, sagte Küng am Montag in Tübingen der Nachrichtenagentur dpa. „Zu hoffen ist aber, dass Ratzinger nicht Einfluss auf die Wahl seines Nachfolgers nimmt“, betonte der 84-Jährige. Allerdings habe Benedikt XVI. in seiner Amtszeit so viele konservative Kardinäle berufen, dass unter ihnen kaum eine Person zu finden sei, „die die Kirche aus ihrer vielschichtigen Krise herausführen könnte“.
In Polen wurde die Rücktrittsankündigung mit großer Überraschung, aber auch mit Respekt aufgenommen. „Das ist für uns eine große Überraschung“, sagte Bischof Wojciech Polak, Sekretär der Katholischen Bischofskonferenz Polens. Adam Boniecki, einer der bekanntesten katholischen Intellektuellen Polens, nannte den Schritt wichtig und richtungsweisend für die Zukunft der Kirche.
+++ Der Rücktritt im Wortlaut +++
Stichwort: Amtsverzicht des Papstes
Nach dem Kirchenrecht kann ein Papst aus freiem Entschluss auf sein Amt verzichten. Ein Amtsverzicht führt – ebenso wie der Tod des Papstes – zur Vakanz (Unbesetztheit) des Apostolischen Stuhls. Im Canon 332 Paragraf 2 des kirchlichen Gesetzbuches „Codex Iuris Canonici“ (CIC) heißt es: „Falls der Papst auf sein Amt verzichten sollte, ist zur Gültigkeit verlangt, dass der Verzicht frei geschieht und hinreichend kundgemacht, nicht jedoch, dass er von irgendwem angenommen wird.“
Die Bedingungen, dass der Rücktritt aus freien Schritten erfolgen und hinreichend publik gemacht werden muss, wurden erst 1983 bei der Neufassung des Kirchenrechts unter Papst Johannes Paul II. ins Gesetz aufgenommen. Neben der Vakanz kennt das Kirchenrecht auch die Möglichkeit der „völligen Behinderung des römischen Bischofstuhls“. Dabei ist gemäß Canon 335 ebenso zu verfahren wie im Fall einer Vakanz. Der CIC schreibt nicht vor, von wem und in welchem Verfahren eine „völlige Behinderung“ festgestellt wird.
Der spektakulärste Papst-Rücktritt ereignete sich 1294. Damals dankte der fünf Monate zuvor gewählte Papst Coelestin V. ab, weil er sich dem Amt nicht gewachsen fühlte. Er starb 1296 und wurde später heiliggesprochen. Mehrere Amtsverzichte von Päpsten und Gegenpäpsten gab es auch während des langen Schismas, das nach dem Rücktritt von Gregor XII. 1415 begann.
In der Moderne haben Pius XII. (1939-1958), Paul VI. (1963-1978) und Johannes Paul II. (1978-2005) einen schriftlichen Amtsverzicht vorbereitet. Pius XII. wollte die Kirche damit angesichts einer drohenden Entführung durch Hitlers Truppen absichern. Paul VI. und Johannes Paul II. wollten verhindern, dass die Kirche im Fall von langer, schwerer Krankheit führungslos bliebe. Keines der geheim gehaltenen Amtsverzichts-Schreiben kam zum Einsatz.