Das Abendblatt erklärt in einer großen Serie die gefährlichsten Krisenherde der Welt. In Teil 3 erklären wir die Hintergründe in Syrien.
Hamburg. Das heutige Bürgerkriegsland Syrien gehört zu den ältesten Kulturräumen der Erde. Seine Hauptstadt Damaskus gilt sogar als die älteste dauerhaft bewohnte Stadt der Welt und ist vermutlich schon seit mehr als 5000 Jahren ein kulturelles und politisches Zentrum. Die Lage zwischen Mesopotamien, Ägypten und Anatolien machte Syrien äußerst interessant für Eroberer. Der Umayyaden-Kalif Muawiya verlegte im siebten Jahrhundert den Sitz des Kalifats von der heiligen Stadt Medina nach Damaskus.
Wie weite Teile des Nahen und Mittleren Ostens war Syrien bis 1918 ein Teil des Osmanischen Reiches, das dann zerbrach. 1922 erhielt Frankreich ein Völkerbundsmandat über Syrien und den Libanon. 1946 endete dieses Mandat; Syrien wurde ein unabhängiger Staat - der sich 1958 mit Ägypten zur Vereinigten Arabischen Republik zusammenschloss. Das politische Experiment scheiterte bereits 1961; aus den Trümmern dieses gemeinsamen Staates erhob sich die bis heute in Syrien herrschende Baath-Partei. 1970 putschte sich Luftwaffenkommandeur und Verteidigungsminister Hafis al-Assad an die Macht und räumte unter seinen Rivalen auf. Ein Jahr später ließ er sich zum Staatspräsidenten wählen - eine Position, die er bis zu seinem Tod im Jahre 2000 innehatte. Assad betrieb einen ausgeprägten Personenkult und als Chef der Baath-Partei einen an die Sowjetunion angelehnten linksnationalistischen Kurs. Säulen seiner Macht waren die Armee und der Geheimdienst; jede Opposition wurde brutal unterdrückt. Bezeichnenderweise ging Hafis al-Assad, Angehöriger der religiösen Minderheit der Alawiten, besonders blutig gegen die radikalislamischen Muslimbrüder vor, die heute in Ägypten herrschen. Nachdem die Muslimbrüder mehrere Terrorakte gegen das Assad-Regime verübt und in der Stadt Hama eine Revolte ausgelöst hatten, schlug Assad im "Massaker von Hama" mit Panzern und Artillerie zu. Bis zu 30.000 Menschen starben. Eine Verhaftungswelle folgte. Assad brachte den Nachbarstaat Libanon unter syrische Kontrolle und stationierte dort Truppen.
Nach Assads Tod rückte dessen zweitältester Sohn, der in London ausgebildete und recht unpolitische Augenarzt Baschar al-Assad nach. Der als "Kronprinz" geltende und entsprechend vorbereitete Sohn Basil war bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Baschar al-Assad galt anfangs als liberaler Reformer, ließ das Internet in Syrien zu und entließ Tausende politische Gefangene. Das Wort vom Damaszener Frühling ging um.
2004 jedoch ging Assad junior brutal gegen syrische Kurden vor, und ein Jahr später geriet sein Regime in den Verdacht, das tödliche Attentat auf den prowestlichen früheren Regierungschef des Libanon, Rafik Hariri, organisiert zu haben. Assad musste auf internationalen Druck 17.000 Soldaten aus dem Libanon zurückziehen. Ab März 2011 griff der revolutionäre Funke des Arabischen Frühlings auch auf Syrien über. Präsident Assad, der sich 2007 angeblich mit 97,6 Prozent der Stimmen hatte wiederwählen lassen, antwortete mit Massakern seiner Armee an Oppositionellen. Die syrische Herrschaftsschicht der Alawiten fürchtete die Rache der Sunniten. Bis dato hat sich der Aufstand zu einem echten Bürgerkrieg mit bislang 40.000 Toten entwickelt, in den islamistische Söldner, Kurdenmilizen, mehrere arabische Staaten mittels Waffenlieferungen und der Iran sogar mit militärischer Unterstützung involviert sind. Der Westen schreckt vor einer Intervention wie in Libyen zurück, weil das Assad-Regime bestens gerüstet ist - auch mit einem riesigen Chemiewaffen-Arsenal -, in einer Allianz mit dem Iran ist und die Terrorgruppen Hamas und Hisbollah an der Leine hat.
Eine Eskalation könnte rasch Israel erfassen. Syrien gilt nicht erst seit der Besetzung der syrischen Golan-Höhen 1967 durch Israel als einer der erbittertsten Feinde des jüdischen Staates. Für den Fall einer Intervention hat Assad mit dem Einsatz der Chemiewaffen gedroht, die USA wiederum für diesen Fall mit einer Bodeninvasion.
Nächste Folge: Iran